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Maßnahme, um "Einheit der Region zu bewahren". | Frankophone laufen gegen Vorschrift Sturm. | Brüssel. Ab sofort bekommen in Flandern nur Mieter mit Kenntnissen der Landessprache eine Sozialwohnung. Der zuständige Minister für Wohnungsbau, Marino Keulen, hat zuletzt das explosive Papier aus der Schublade geholt. Die flämische Regierung hat bereits grünes Licht gegeben. "Wir wollen damit die sprachliche Einheit unserer Region bewahren und die Unterdrückung der Flamen beenden", begründete der flämische Ministerpräsident Yves Leterme diesen Schritt.
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# "Diskriminierung"
In der Praxis sieht das so aus: Jeder Kandidat, der eine Sozialwohnung bekommen möchte und nicht Flame ist, muss ein Zertifikat einer anerkannten Sprachschule vorweisen. Sonst ist er verpflichtet, einen Test abzulegen. Fällt er durch, hat er noch eine letzte Chance: Er beginnt einen Niederländischkurs. Erst dann hat er Anrecht auf eine Sozialwohnung. Ob ein erfolgreicher Abschluss zur Bedingung für eine Bleibe wird, ist bisher noch unklar.
"Für alle, deren Muttersprache nicht niederländisch ist, wird es auf jeden Fall unglaublich schwierig, eine Unterkunft zu bekommen", sagt Jozef De Witte, Direktor des Instituts für Chancengleichheit und gegen Rassismus in Brüssel. "Das ist eine Form von Diskriminierung." Seine Mitarbeiter werden die Entwicklung im flämischen Teil Belgiens genau beobachten und eventuell Gegenmaßnahmen einleiten. Einige Parteien im französischsprachigen Teil Belgiens, Wallonien, haben bereits Kontakt zum EU-Parlament aufgenommen, um gegen das Projekt zu protestieren. Ihr Ministerpräsident, Elio di Rupo, forderte die föderale Regierung auf, Einspruch zu erheben. Sogar das Komitee für Menschenrechte der Vereinten Nationen will die frankophone Partei FDF anschreiben, um die Vorschrift rückgängig zu machen.
Das neue Projekt passt zur derzeitigen Politik der flämischen Regionalregierung. Bereits bei ihrem Amtsantritt hatte sie sich geweigert, die europäische Konvention zum Schutz von Minderheiten zu unterschreiben. Französischsprachige Belgier, die im flämischen Landesteil wohnen, haben immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie müssen zum Beispiel jedes Mal einen umständlichen Antrag stellen, um ihre offiziellen Dokumente in ihrer Muttersprache zu erhalten. Besonders schwierig ist die Situation in den Gemeinden um die Hauptstadt Brüssel. Diese liegen zwar geografisch in Flandern, sind aber größtenteils von Französischsprachigen bewohnt.
Gefahr: Obdachlosigkeit
Die flämische Regierung verteidigt ihr Projekt vor allem mit sozialen Argumenten. "In vielen Familien können die Behörden nur mit den Kindern kommunizieren, weil die Eltern kein flämisch sprechen", sagt Marino Keulen. Er verspricht sich von den verpflichtenden Sprachkursen ein besseres Zusammenleben in den Vierteln mit einem hohen Ausländeranteil.
Ein Problem gibt es aber trotzdem: In Flandern sind die Wartelisten für Niederländischkurse schon ohne das Wohnprojekt sehr lang. Der Wohnkodex könnte deshalb zu mehr Obdachlosigkeit und nicht zu mehr Zusammenhalt führen, befürchten viele.