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Nabucco-Pipeline durch Georgien-Krise nicht gefährdet. | OMV plant Budget 2009 mit einem Ölpreis von 100 Dollar. | "Wiener Zeitung": Wie fühlt man sich als Verlierer?
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Wolfgang Ruttenstorfer: Ich fühle mich überhaupt nicht als Verlierer. Die OMV ist in den letzten Jahren stark gewachsen, hat sich erfolgreich entwickelt und ist als führender Öl- und Gaskonzern Mitteleuropas für die Zukunft gut aufgestellt.
Trotzdem trug ein Porträt, das die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", ein durchaus seriöses und wirtschaftskundiges Blatt, im Juli über Sie veröffentlicht hat, die Überschrift "Der Verlierer".
Ich habe den Artikel gelesen, fand ihn eigentlich sehr gut und hatte den Eindruck, dass die Überschrift wirklich nicht zum Text passt. Da steht drinnen, dass ich den Konzern sehr erfolgreich geleitet habe, dass.. .
...dass Sie ein freundlicher Chef sind.
Da stehen lauter positive Dinge über mich drinnen.
Nicht nur. Die Überschrift bezieht sich darauf, dass Ihnen nach der geplatzten Fusion mit dem Verbund-Konzern mit der gescheiterten Übernahme des ungarischen Ölkonzerns MOL bereits das zweite große Projekt missglückt ist.
Die OMV hat seit 2002, seit ich diesem Vorstand vorsitze, rund ein Dutzend größere Akquisitionen versucht. Viele davon, wie etwa die Übernahmen von Preussag in Deutschland und Petrom in Rumänien, sind gelungen. Manche haben nicht geklappt, das liegt in der Natur der Sache. Es gibt keine Garantie, dass solche Projekte immer gelingen. Es ist aber unsere Aufgabe, es zu versuchen. Denn wenn man es erst gar nicht probiert, dann gelingt es sicher nicht.
Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass die MOL-Übernahme gescheitert ist.
Die Frage ist noch nicht abgeschlossen. Die Konsolidierung der Öl- und Gasindustrie in Mitteleuropa wird weiter gehen, daran besteht kein Zweifel. Wir haben jetzt unser Übernahmeangebot um 32.000 Forint je MOL-Aktie zurückgezogen. Aber wir sind immer noch Aktionär der MOL.
Auch die beabsichtigte Fusion mit dem Verbund ist aber gescheitert.
Von einem guten Dutzend an Projekten haben zwei nicht funktioniert, das ist richtig. Aber die Stromerzeugung ist für uns weiterhin ein wichtiges Zukunftsthema, und die OMV geht jetzt eben einen anderen Weg in diese Richtung.
Wir haben bereits Beschlüsse gefasst, ein 860 Megawatt Kraftwerk in Rumänien zu bauen und ein Kraftwerk mit 890 Megawatt in der Türkei. Wir haben ein weiteres Projekt in Burghausen. Wir beschäftigen uns intensiv mit der Zukunft der Energieversorgung, und da spielt Strom eine ganz wesentliche Rolle - auch die Stromproduktion aus Wind- und Sonnenenergie. Daher ist es für uns wichtig, im Stromgeschäft engagiert zu sein.
Es gibt abgesehen vom Verbund noch viele andere Stromerzeuger. Kann eine andere Übernahme in diesem Sektor in absehbarer Zeit ein Thema sein?
Nein. Wir haben im Zusammengehen mit dem Verbund eine Chance gesehen, aber das hat sich nicht umsetzen lassen, ist jetzt erledigt und kein Thema mehr. Wir gehen nun den organischen Weg und bauen selbst Kraftwerke. Dafür sind wir mit unserem Zugang zur Gasversorgung prädestiniert. Wir gehen diesen Weg jetzt allein.
Die Gasversorgung ist derzeit ein heikles Thema. Befürchten Sie durch die jüngsten Ereignisse in Georgien negative Einflüsse auf das von der OMV federführend betriebene Gas-Pipeline-Projekt Nabucco, dessen Route ja durch Georgien verlaufen soll?
Europa ist meiner Meinung nach gut beraten, zusätzlich zu den sehr wichtigen und verlässlichen Gaslieferungen aus Russland künftig auch Gas aus der Gegend um die Kaspische See und aus dem Mittleren Osten nach Europa zu bringen. Wir fühlen uns daher - auch durch die jüngsten Äußerungen des Europäischen Rates zum Thema Versorgungssicherheit - in Bezug auf Nabucco bestärkt.
Natürlich hat auch Nabucco seine Risiken und ist ein schwieriges und komplexes Projekt. Aber wir stehen zu unserer Verantwortung, da muss man auch Risken in Kauf nehmen.
Schwierig und komplex war das Projekt von Beginn an, jetzt unterliegt es einem deutlich erhöhten politischen oder militärischen Risiko.
Es erfreut sich noch stärkerer Unterstützung durch die Europäische Union und ich sehe nicht unbedingt ein höheres politisches Risiko, zumal der potenzielle Trassenverlauf durch Georgien von den jüngsten Auseinandersetzungen nicht wirklich berührt wurde.
Ölkonzerne werden derzeit wegen ihrer enorm hohen Gewinne heftig kritisiert. Auch die OMV hat kürzlich ein exzeptionell gutes Halbjahresergebnis vorgelegt. Wie hoch dürfen die Gewinnmargen sein, bevor sie als unanständig eingestuft werden?
Wir investieren heuer deutlich mehr als drei Milliarden Euro, davon 500 Millionen im Weinviertel. Aber wir investieren auch in Rumänien, in Nordafrika, in Neuseeland, Kasachstan, im Jemen, in der Nordsee, in Deutschland. Das heißt, dass wir praktisch unseren gesamten Cashflow, praktisch jeden Euro, den wir verdienen, wieder für die Sicherung der Energieversorgung ausgeben.
Kürzlich wurde eine Untersuchung der Bilanzen der 200 größten börsenotierten Ölgesellschaften veröffentlicht: Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite liegt bei knapp 20 Prozent.
Es gibt viele Branchen, die diesen Wert locker erreichen oder auch überschreiten. Ich sehe da kein Problem.
Derartig hohe Gewinnmargen lassen allerdings bei manchem Kritiker die Forderung nach einer Obergrenze für die Gewinne von Ölkonzernen aufkommen.
Ich glaube, die Frage ist, was mit dem Gewinn geschieht. Versickert er in irgendwelchen Kanälen oder wird er dazu verwendet, Versorgungssicherheit für die Kunden zu schaffen?
Ich kann Ihnen versichern, bei der OMV fließt jeder Euro, den wir verdienen, in Investitionen für die Versorgung Mitteleuropas.
Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man glauben, die OMV ist ein gemeinnütziges Unternehmen.
Wir sind kein gemeinnütziges Unternehmen, wir müssen selbstverständlich auch Dividenden an unsere Aktionäre ausschütten und die Fremdkapitalzinsen bedienen. Aber der wesentliche Teil geht in Investitionen.
Man könnte auch sagen: Er fließt in Investitionen, mit denen Sie hoffen, in der Zukunft ähnlich hohe Gewinne zu erzielen.
Selbstverständlich müssen wir als börsenotiertes Unternehmen Gewinne erzielen. Einige der heutigen Projekte sind allerdings nicht mehr so profitabel, wie es manche vor zehn oder 15 Jahren getätigte Investitionen waren.
Wir machen es trotzdem, weil es ungeachtet der Notwendigkeit, Gewinne zu erzielen, unsere Aufgabe ist, für Energieversorgungssicherheit zu sorgen.
SPÖ-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter, der in der noch amtierenden Bundesregierung eine Funktion ausübt, die Sie auch schon ausgeübt haben, hat gefordert, dass Mineralölkonzerne mit einer Steuer belegt werden sollten, die übergroße Gewinne abschöpfen soll.
Es haben schon viele versucht, übergroße Gewinne objektiv zu definieren, das ist noch keinem gelungen. Die eigentliche Frage ist aber: Ist es sinnvoll, die OMV, die im starken Wettbewerb mit Konzernen wie Exxon, Shell oder BP steht, zu schwächen? Kann das wirklich eine sinnvolle Vorgehensweise sein? Ich meine, nein!
Ärgert es Sie, dass ein solcher Vorschlag ausgerechnet aus Ihrer Partei kam?
Nein, wir beurteilen solche Dinge sachlich. Wir versuchen, an politischen Vorschlägen konstruktiv mitzuarbeiten, soweit wir das können. Wir sagen aber auch, wenn wir Dinge - wie in diesem Fall - nicht für zielführend halten.
Im aktuellen Wahlkampf wird verschiedentlich eine Reduktion der erst kürzlich angehobenen Mineralölsteuer gefordert. Ein Vorschlag der Ihre Zustimmung findet?
Steuern werden vom Staat beschlossen und eingehoben. Wir kommentieren das nicht, wir nehmen es zur Kenntnis.
Ich denke, dass Sie aber zur Mineralölsteuer wohl eine Meinung haben?
Österreich hat eine Mineralölsteuer, deren Höhe im Schnitt Mitteleuropas liegt. Es gibt Länder wie Deutschland oder Italien, wo sie höher ist. Und es gibt solche wie Slowenien und die östlichen Nachbarländer, wo sie niedriger ist. Wir liegen da in der Mitte und nehmen das zur Kenntnis.
Ein wesentlicher Faktor für die Profitabilität von Ölunternehmen ist der Ölpreis. Was wird ein Barrel Öl zu Jahresende kosten?
Wenn ich das wirklich wüsste, wäre ich sehr glücklich. Wir treffen aber natürlich Arbeitsannahmen für unser Budget. Da gehen wir von einer Bandbreite um 100 Dollar aus und glauben, dass das eine vernünftige Annahme ist. Aber Garantien gibt es dafür keine.
Zur PersonWolfgang Ruttenstorfer wurde 1950 in Wien geboren und studierte an der Wiener Wirtschaftsuniversität Handelswissenschaften. 1976 begann Ruttenstorfer, der während des Studiums an Tankstellen gejobbt hatte, seine Tätigkeit beim damals noch verstaatlichten und als ÖMV firmierenden Mineralölkonzern, wo auch schon sein Vater als Techniker arbeitete. Ruttenstorfer durchlief ein Traineeprogramm und war dann in den Bereichen Energiepolitik und Strategie tätig.1990 übernahm er die Verantwortung für den Mineralölproduktevertrieb, 1992 wurde er zum Finanzvorstand und Vize-Generaldirektor berufen. Ab 1996 war er für Chemie, Exploration, Produktion und das Erdgasgeschäft zuständig. Anfang 1997 wechselte Ruttenstorfer für drei Jahre als SPÖ-Staatsekretär ins Finanzministerium, kehrte danach freilich wieder in den OMV-Vorstand zurück, wo er im Jänner 2002 zum Vorstandsvorsitzenden und Generaldirektor berufen wurde.