Wolfgang Schüssel über die Figur des Finanzministers, die Freiräume von der Politik und seine Ziele für die Zukunft. | "Wiener Zeitung": Sie sind seit Jahrzehnten Spitzenpolitiker, wird man da nicht müde? | Wolfgang Schüssel: Sicher, wie jeder normale Mensch. Da braucht man nicht in der Spitzenpolitik sein. Da hilft aber eines: Schlafen.
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Wo versuchen Sie sonst aufzutanken außer im Schlaf? Religion, Sport, Esoterik?
Glaube ist eine andere Kategorie. Ich versuche regelmäßig leichten Sport zu betreiben - ein bisschen laufen, Fußball, Bergsteigen, Skitouren, heuer leider überhaupt nicht wegen der EU-Präsidentschaft. Auch Musik hilft sehr beim Entspannen. Ich spiele Cello und höre gerne Musik. Ich habe gerade wie seit 27 Jahren meine Familienmusikwoche absolviert, es gibt nichts Schöneres.
Was lesen Sie gerade?
Ich lese Neuerscheinungen, politische oder Belletristik. Ich kenne keine Unterscheidung zu Populärliteratur wie Krimis oder Comics - ich verschlinge alles. Für den Sommer habe ich mir ein Putin-Porträt hergerichtet.
Wie würden Sie sich denn selbst porträtieren? Die einen halten Sie für einen Langfriststrategen, andere bezeichnen Sie als "Meister des Augenblicks".
Ein Selbstporträt ist für mich sicher nichts.
Nach den letzten Regierungsverhandlungen glaubten viele, dass Schüssel von Anfang an wusste, wie das ausgeht. Also: Meister des Augenblicks?
Es gehören beide Elemente dazu. Wer eine Pensionsreform macht, muss langfristig planen. Bis zur übernächsten Legislaturperiode wäre es sich vielleicht noch ausgegangen. Aber dann wäre die Dramatik umso härter gekommen. Wir haben dazu zum ersten Mal in der Geschichte eine wissenschaftlich abgestützte Planung bis 2050 gemacht.
Die ÖVP wirkt heute so einig wie nie. Was ist die Ursache? Der brutale Führungsstil Wolfgang Schüssels oder eine innere Schwäche, wo es keine Energie mehr gibt zum Revoluzzertum?
Ich habe eine sehr zerklüftete innerparteiliche Landschaft übernommen und versucht, Richtung zu geben: durch sehr viel Überzeugungsarbeit und auch durch ein handverlesenes Team, mit dem ich seit Jahren zusammenarbeite. Das scheint immer stärker akzeptiert zu werden. Von mangelnder Energie merke ich nichts. Die ÖVP ist eine muntere, lebendige Partei, die mittlerweile eine Grundregel verstanden hat: Die Wähler wählen keinen zerstrittenen Haufen, sie wollen ein Team, das sich einig ist über den Kurs.
Das hat man früher nicht begriffen?
Vielleicht hat man in manchen Bereichen zu wenig zugehört. Ich habe am Anfang gesagt: "Ich brauche ein paar Instrumente." Gesicherte Finanzen, eine gewisse Freiheit bei der Listenerstellung . . .
Was haben Sie sich da vorbehalten?
Das werde ich nicht sagen. Aber es wurde immer eingehalten. Der dritte Punkt: Wenn jemanden etwas stört, soll er es mir ins Gesicht sagen und nicht in der Öffentlichkeit. Auch das hat recht gut funktioniert.
Die ÖVP gilt für viele schon als der sichere Wahlsieger. Wie wollen Sie da noch Ihre bürgerlichen Wähler motivieren?
Wir liegen nur knapp voran, das Rennen ist nicht gelaufen. Eine Wahl wird heute immer stärker im Wahlkampf entschieden. Mindestens ein Viertel bis ein Drittel der Wähler entscheidet spät, etwa in den letzten drei bis vier Wochen. Das heißt: Sich anstrengen und werben.
Und wie?
Wir wollen einen positiven Wahlkampf. Wo war Österreich vor sechs, sieben Jahren und wo steht es heute? In allen Bereichen wurden wir besser. Auf dieser Basis muss man dann drei bis vier zentrale Botschaften unter die Leute bringen. Entscheiden werden Partei, Programm, Person. Wir sind eine relativ kampfkräftige und geschlossene Partei. Wir haben ein gutes Programm, wir sind in der Mitte der Gesellschaft - weder extrem noch an den Rändern. Wir haben ein sehr gutes Team. Da brauchen wir uns vor keiner Konkurrenz fürchten.
Das klang jetzt sehr nüchtern. Experten sagen aber, dass das Entscheidende für die letzten Prozente immer die Emotion ist.
So bin ich. Ich wollte noch nie einen tosenden Gefühlsorkan entfachen. Politik hat viel mit nüchterner Professionalität zu tun. Man sollte denen misstrauen, die ständig auf die Gefühlsdrüse drücken, Emotionen hochziehen, Kampfparolen dreschen, Hass säen und Spaltungen vertiefen. Meine Aufgabe ist: Zusammenführen, Richtung geben, besonnen, klug, aber auch fest agieren.
Stößt Politik nicht auf wachsende Demokratieverdrossenheit?
Ich weiß nicht, ob dieser Befund fair ist. Niemand hält die Demokratie für perfekt, aber niemand kennt etwas Besseres. Eigentlich besteht durchaus Vertrauen in die Politik. Natürlich gibt es ein kritisches Unterfutter, das halte ich für gut. Warum sollte man alles super finden, was die da oben vorgeben? Wir haben ein balanciertes System, einen Bundespräsidenten, der Jahrzehnte stellvertretender SPÖ-Vorsitzender gewesen ist. Wir haben fast zur Hälfte Landeshauptleute aus der Sozialdemokratie. Wir haben Sozialpartner. Wir haben eine wache, unabhängige Presse. Der ORF ist - entgegen allem, was geschrieben wird - ein absolut kritisches Gegengewicht.
Kritiker meinen aber, dass das Land konservativ eingefärbt wird, etwa kulturpolitisch.
Die Fakten sind andere: Operndirektor Ioan Holender hat 2000 zu den ersten Kritikern dieser Regierung gehört - wir konnten ihn mittlerweile überzeugen, dass Österreich in guter Hand ist. Der neue Burg-Chef stößt auf breiteste Zustimmung. Der Volksopern-Chef gehört sicher nicht zu meinen Weihrauch-Streuern. Das gleiche gilt für Schottenberg im Volkstheater oder den neuen Direktor in der Josefstadt. Nehmen Sie den neuen Intendanten in Salzburg, Jürgen Flimm, der ist ein ausgewiesener Sozialdemokrat. Ich weiß nicht, woher diese Sucht herkommt, immer zu glauben, dass man nach dem Parteibuch entscheidet. Mitnichten!
In anderen Ländern werden Theater zugesperrt, wir haben in diesem Sommer zwei riesige Bauten - in Bregenz und in Salzburg - eröffnet. Bei uns wird Kultur nicht kaputt gespart.
Sie haben mehrfach von Ihrem Team gesprochen. Würden Sie das gleiche in eine nächste Regierung mitnehmen?
Ich gehe mit diesem Team in die Wahl und danach schauen wir, ob wir eine Regierung bilden können. Niemand hat ein Abonnement für die nächsten Jahre.
Sind Sie bisweilen unglücklich, wie der Finanzminister zwischen seinem öffentlichen und dem privaten Auftreten trennt?
Wenn ein Foto eines Paparazzis von einem Badeurlaub erscheint, kann man das dem Finanzminister beim besten Willen nicht vorwerfen. Er hat eine ausgesprochen hübsche Figur, seine Frau ist eine rassige Schönheit. Den Österreichern gefällt das. Es gibt Schlimmeres, als mit Bildern belästigt zu werden, die zwei junge Menschen in ihrer vollen Blüte zeigen.
Und wenn er sich zwei Tage von einem Banker einladen lässt?
Es ist klar, dass jeder, der ein öffentliches Amt bekleidet, nicht nur eine private Person ist. Die Trennlinie ist nicht einfach zu ziehen. Aber in dieser Sache haben SPÖ und Opposition dermaßen übertrieben. Wenn jeder, der irgendwann einmal mit Herrn Flöttl zusammengetroffen ist, zurücktreten müsste, ist das Parlament frei von Sozialdemokraten. Das kann es nicht sein.
Wenn Sie sagen "übertrieben", scheint Ihnen das doch nicht ganz unproblematisch?
Jeder muss seinen Stil leben und verantworten. Die Frage ist: Leistet jemand gute Arbeit? Das ist bei meinen Teammitgliedern hundertprozentig der Fall.
Was mir viel mehr Sorgen macht, sind Berichte, dass es bereits 1994 anonyme Anzeigen von hochrangigen Bawag-Angestellten gegeben hat. Mit dem Hinweis, dass der Generaldirektor - Elsners Vorgänger - vorsätzlich sein Amt missbraucht hätte, dass der Eigentümervertreter mit eingeschaltet gewesen wäre und dass das sang- und klanglos von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt worden ist. Es beunruhigt mich, wenn das alles stimmen sollte. Offensichtlich sind damals innerhalb der Finanzmarktaufsicht sehr präzise Warnungen nicht ernst genommen worden. 2001 stand im ÖNB-Bericht hingegen, dass alles erledigt ist, die Verluste bereinigt sind und es keine weiteren Geschäfte mehr gibt.
Ich kenne das nur aus den "Oberösterreichischen Nachrichten". Haben Sie mehr Hinweise?
Nein.
Würden Sie Grasser raten, sich noch einmal von einem Banker zwei Tage zu einem Freizeitvergnügen einladen zu lassen?
Das muss er beurteilen. Herr Meinl ist ein enger Freund seiner Familie. Wenn man prinzipiell mit niemandem mehr Kontakt haben darf, mit dem man schon vor seinem Amt befreundet war, wird es schwierig. Der entscheidende Punkt ist: Hat Herr Meinl dadurch irgendeinen Vorteil gehabt? Wenn das der Fall gewesen wäre, wäre das problematisch. Das hat aber noch niemand behauptet.
Einen Reputationsvorteil hat er sicher, wenn er sich mit dem Finanzminister trifft.
Den haben aber auch Ihre Freunde, wenn sie mit dem Chefredakteur reden, oder meine, wenn sie mit dem Bundeskanzler irgendwo auftreten. Das wird sich wohl nicht vermeiden lassen.
Gibt es überhaupt noch Freiräume für einen Politiker?
Das hängt davon ab, wie sehr man sich auffressen und fremdbestimmen lässt. Ich habe mir immer meine Freiräume selbst gesichert, ich lasse mich nicht von der Funktion auffressen.
Haben Sie das Gefühl, dass die Menschen noch bereit sind für weitere schmerzhafte Reformen wie die Pensionsreform?
Gerade die Pensionsreform ist ein sehr interessantes Beispiel: Daraus wird das beste Pensionssystem der Welt entstehen, für das uns spätere Generationen noch dankbar sein werden.
Die Frage war: Gibt es eine Reformmüdigkeit?
Das glaube ich überhaupt nicht. Es werden nach wie vor Reformen eingefordert. Christoph Leitl mahnt jede Woche eine weitere Verwaltungsreform ein, die fünf Milliarden bringen soll, obwohl wir in den sechs Jahren schon 34.000 Dienstposten und ungefähr 7,5 Milliarden Verwaltungskosten eingespart haben, ohne die Leistungen zu reduzieren. Es vergeht kein Tag, wo nicht irgendeine neue Forderung an uns herangetragen wird. Das ist okay. Es ist mein Job zu bewerten, was geht.
Die Reformmüdigkeit der Menschen hat die Politik verursacht, indem sie vor Wahlen nie wirklich reinen Wein einschenkt.
Den Vorwurf können Sie dem ehemaligen Bundeskanzler Vranitzky machen, der 1995 seinen Pensionisten-Brief geschrieben hat. Klima kann man diesen Vorwurf nicht machen, weil er bei der Pensionsreform sehr wohl etwas tun wollte. Er wurde von den sozialdemokratischen Gewerkschaftern eingebremst. Mir können Sie diesen Vorwurf sicher nicht machen, denn ich habe vor den Wahlen gesagt, dass wir das Frühpensionsalter anheben müssen.
Den Vorwurf können Sie aber heute Alfred Gusenbauer machen, der so tut, als ob er die Pensionsreform zurückdrehen könnte. Das kann er zwar machen, wenn er die Mehrheit bekommt, aber das ist nicht finanzierbar. Nur zu sagen, dass wir mehr Einnahmen aus der Mineralölsteuer haben, womit alles - von den Studienbeiträgen bis zur Rücknahme der Pensionsreform, Forschungsaktivitäten und Bildungsoffensive - gezahlt wird, das glaubt ja nicht einmal sein eigenes Team.
Sagen Sie selbst zum Beispiel heute offen, dass wir eine Gesundheitsreform brauchen? Wir haben eine Gesundheitsreform.
Ist die ausreichend? Wenn wir schauen, was sich dazu in Deutschland jetzt abspielt.
Unser System ist ja wesentlich besser als in Deutschland! Es ist sehr einheitlich, die Zufriedenheit damit ist hoch, es muss aber ständig weiterentwickelt werden. Man muss den Finger auf die Verwaltungskosten halten: Stichwort Abschaffung von 240 Millionen Krankenscheinen, Einführung der E-Card - die ein ganz großer Erfolg war und ist. Jetzt werden wir die bürokratischen Vorschriften für die Ärzte überprüfen müssen. Das dürfte aus einem Misstrauen des Hauptverbandes heraus noch zu kompliziert sein. Wir müssen auch mit dem wissenschaftlichen Fortschritt mithalten und in der Organisation der Spitäler etwas tun, wie das Niederösterreich erstklassig vorexerziert hat. Die haben fast alle Gemeindespitäler in eine Holding übernommen.
Die von Leitl zitierten Studien sehen die meisten Einsparungs-Chancen im Bereich Föderalismus. Da geht es etwa um einen Abbau der Landesgesetzgebung.
Die Landes-Wirtschaftskammern werden dort ein sehr wichtiger Partner für die Reformen sein.
Also das, was an Verfassungsentwürfen in Sachen Föderalismus auf dem Tisch liegt, ist nicht unbedingt das letzte Wort?
Das sind jetzt zwei verschiedene Dinge. Christoph Leitl bezieht sich nicht auf den Österreich-Konvent, soweit ich das verstanden habe. Dieser ist nicht primär auf Einsparungen abgestellt worden, sondern auf ein besseres Zusammenspiel. Wer kann was am besten? Es war nicht primär das Ziel, dass man auf welcher Ebene auch immer Einsparungen erzielt.
Leitl will konkrete Einsparungen, die jede Gebietskörperschaft selber machen muss. Es kann ja nicht der Bund verantwortlich gemacht werden für eine Bürokratiereform anderer Gebietskörperschaften.
Haben Sie schon eine Priorität in Sachen Koalitionspartner?
Ein gewisser Respekt vor dem demokratischen Miteinander gebietet es, niemanden von Vornherein auszugrenzen. Nach der Wahl hängt alles davon ab, was geht sich aus und mit wem kann man ein Reformprogramm umsetzen. 1999/2000 habe ich einen Koalitionsvertrag mit der SPÖ ausverhandelt. Ich werde nie vergessen, als Viktor Klima um drei Uhr Früh anrief und sagte: "Es ist aus. Der Parteivorstand hat abgelehnt". Im Jahr 2002 haben die Grünen nach einem Sitzungsmarathon gesagt, dass nicht mehr weiterverhandelt werden kann. Daher sind Koalitionsspiele vorher absolut unrealistisch.
Und mit dem dann gewählten Koalitionspartner waren Sie wirklich zufrieden?
Er hat sehr gut mit uns zusammengearbeitet. Es sind viele Initiativen von dort gekommen. Ich finde es nicht fair, wie manchmal mit ihnen umgegangen wird.
Die Beamtenreform hätte die ÖVP gar nicht geschafft, weil sie sich zu sehr mit den Beamten identifiziert.
Das ist Ihre Interpretation. Ich sage nur, dass die Zusammenarbeit gute Ergebnisse gebracht hat. Man sollte anerkennen, wenn von anderen etwas Gescheites kommt. Wir haben auch gestritten, aber in Summe hat es dem Land etwas gebracht.
Wegen der Verfassungsmehrheit spräche vieles für die SPÖ.
Sicher, da sind ja auch manche Dinge gemeinsam gemacht worden. Die Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bei den Schulgesetzen etwa. Bei der SPÖ ist es halt oft sehr schwierig, es wird etwas zugesagt und am Ende hält es nicht. Beispiel Finanzausgleich: Häupl und Rieder als Chefverhandler sagen etwas zu, und später ist alles anders. Beispiel Gesundheitsfinanzierung: Es wurde etwas vereinbart, und danach sind sie abgesprungen. Beispiel Ortstafeln: Alle waren dafür unter der Bedingung, dass die Kärntner SPÖ zustimmt. Die stimmt zu, die Bundes-SPÖ stimmt trotzdem nicht zu. Beispiel Sicherheitsbereich: Dasselbe.
Eine große Koalition macht dann Sinn, wenn sie sich wirklich auf große Projekte einlässt.
Die Opposition greift Sie am intensivsten bei der Schule an. Mit guten Argumenten: Von den Pisa-Ergebnissen bis hin zu den Schülerzahlen pro Klasse.
Pisa ist eine Momentaufnahme, wo man zirka zwanzig Länder in der gleichen Gruppe hat. Ob man ein, zwei, drei Punkte vorn oder hinten ist, ist bedeutungslos. Dazu kommt ein spezifisches Problem, die Integration. Wir haben wesentlich mehr Kinder von Zuwanderern als andere. Der echte Test für ein Bildungssystem ist, ob die Jungen so viel lernen, dass sie sich am Arbeitsmarkt behaupten können. Finnland schneidet zwar beim Test besser ab, Österreich hat aber nicht einmal die Hälfte der finnischen Jugendarbeitslosigkeit.
Also eh alles bestens?
Die Schule muss sich immer anpassen. Mit dem, was ich in den 50er und 60er Jahren gelernt habe, kann man sicher nicht mehr reüssieren. In der nächsten Periode werden wir sicher auch mit dem Unsinn aufhören, dass alles, von der Teilungsziffer pro Klasse bis zu den Zusatzeinheiten, zentral geregelt werden muss. Die Schulen kriegen ein Kontingent von Lehrern und können dann damit wirtschaften, wie sie wollen. Wir haben eine Lehrer-Schüler-Relation, die deutlich besser ist als der OECD-Schnitt.
Sie haben die Zuwanderer erwähnt. Was sollen wir mit den illegalen tun?
Unser Problem sind nicht die Illegalen, wir haben in den 90er Jahren einfach eine zu lockere Gesetzgebung gehabt.
Auch unter dem Druck der Wirtschaft!
Nein, der Sozialpartner. Der Kern war, dass jemand nach vier bis sieben Jahren eingebürgert werden konnte. Danach hat er automatisch seine Partner, Kinder, Eltern, Großeltern etc. mitnehmen können. Die sind wieder nach ein, zwei Jahren eingebürgert worden und konnten wieder alle mitnehmen. Das war ein Kaskadeneffekt. Den haben wir gebrochen.
Wenn Sie jetzt ein Wähler fragt, was ist mit einem Satz Ihr wichtigstes Vorhaben . . .
Wer ein politisches Vorhaben für vier Jahre in einen Satz bringt, würde mich zutiefst misstrauisch machen. Das ist genau wie die 30 Sekunden-Sager fürs Fernsehen. Da kann ich außer "Grüß Gott, ich heiße Wolfgang Schüssel und will Bundeskanzler bleiben" nichts vermitteln. Das Thema Energie wird beispielsweise enorm wichtig werden, auch die Standortpflege. Offensichtlich glauben manche in der Opposition, dass die Verbesserung des Standorts Österreich eine Automatik ist. Für die Steuerreform werden Karl-Heinz Grasser noch Kränze geflochten werden.
Und was wollen Sie künftig für den Standort tun?
Nach dem Balkan muss es weitergehen in Richtung Ukraine, Russland, Zentralasien mit einer ganz konsequenten Marktpflege.
Gibt es eine Steuerentlastung?
Wie in jeder Legislaturperiode, natürlich. Wir wollen mit der Abgabenquote deutlich unter 40 Prozent kommen. Wir sind ja jetzt schon fast dort, wo wir 2010 hin wollten, also werden wir uns noch ambitioniertere Ziele setzen.
Biographisches
Wolfgang Schüssel war sein ganzes Leben in der Politik tätig. 1995 hat er als Vizekanzler einer rot-schwarzen Koalition Neuwahlen erzwungen. Der Sieg blieb jedoch aus und Schüssel in der ungeliebten Koalition gefangen. 2002 setzte er erneut alles auf eine Karte - diesmal jedoch bereits als Bundeskanzler, als der er am 4. Februar 2000 von einem Bundespräsidenten mit versteinerter Miene angelobt worden war. Diesmal machten die Wähler die ÖVP zur stärksten Partei. Sein Privatleben versteckt der 61jährige Jurist gekonnt. Vielmehr, als dass er mit Krista, einer Psychotherapeutin, verheiratet ist und zwei Kinder hat, ist nicht bekannt.