Kampf gegen finnische Wolfsjagd lässt Zustimmung zur EU sinken. | Verstoß gegen Umweltschutz-Gesetze. | Kuhmo. Rund 600 Kilometer nordöstlich von Helsinki, nahe der russischen Grenze, schlummert die Kleinstadt Kuhmo unter einer dicken Schneedecke. Briefkästen auf der Straße entlang des Waldrandes sind der einzige Hinweis, dass es in der Nähe Häuser gibt. Doch die Stille im Ort ist trügerisch. Denn in der dunklen Polarnacht, die den ganzen Winter lang dauert, schleicht der Wolf durch die bewohnten Gebiete.
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Dick eingehüllt in eine khakifarbene Kluft weist der Briefträger Martti Koistinen auf frische Pfotenspuren im Schnee. Der Fleischfresser ist nur wenige hundert Meter von seinem Haus entfernt vorübergegangen. Im Herbst wurde Koistinens Jagdhund von einem Wolf getötet. "Als wir durch den Wald spazierten, hat ihn ein Wolf angegriffen", sagt der Mann. Vom Staat erhielt er eine finanzielle Entschädigung. Doch das interessiert den Dreißigjährigen weniger. "Ich habe eine zweijährige Tochter, und ich will nicht, dass sie als nächste dem Wolf zum Opfer fällt", sagt er. Koistinen verspricht, den Räuber zu bekämpfen, wann immer er ihm über den Weg läuft. Auch andere Einwohner von Kuhmo pochen auf ihr Recht auf Selbstverteidigung.
Brüssel ist hier so unpopulär wie noch nie. Im Vorjahr hat die EU-Kommission Finnland vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gebracht. Sie beschuldigt Finnland, gegen die Umweltschutzrichtlinie von 1992 verstoßen zu haben. Diese verpflichtet die Mitgliedsstaaten, bestimmte vom Aussterben bedrohte Tierarten zu schützen. Die Jagd ist dann nur noch als äußerstes Mittel erlaubt. Finnland vergebe aber regelmäßig Lizenzen für den Abschuss von Tieren, die keinen schweren Schaden verursacht hätten, heißt es im Kommissionsbericht.
Auch Riku Lumiaro, ein Aktivist der finnischen Vereinigung zum Schutz der Natur, prangert Missbräuche an: "Durch den laxen Umgang mit Lizenzen ist der Wolf in Finnland zu einer gefährdeten Tierart geworden." Das Agrarministerium weist dies allerdings zurück: Die finnische Wolfs-population habe seit 1998 von 95 auf 185 Tiere zugenommen.
Laut Kuhmos Bürgermeisterin Eila Valtanen fliegen die Emotionen deshalb so hoch, "weil sich die Menschen von Brüssel verschaukelt fühlen". Die Arbeitslosigkeit beträgt hier 20 Prozent. Wenn auch noch die Wolfsjagd verboten wird, verliert die Region ein Stück lokaler Identität. Fast ein Drittel der Bevölkerung besitzt eine Jagdlizenz. Trotzdem biete die Anwesenheit des Wolfes aber auch Chancen. Touristen bezahlen gut für eine Spazierfahrt mitten durch ein heulendes Wolfsrudel.
Information gegen Angst
Mit einer Informationsoffensive will die EU die Angst in der Bevölkerung bekämpfen. Bereits vor einem Jahr wurde in Kuhmo mit Subventionen der EU ein Informationszentrum über die großen Fleischfresser eröffnet. Für Direktorin Eeva Pulkkinen ist der Wolf für den Menschen keine Gefahr. "Seit mindestens hundert Jahren ist in Finnland kein Mensch mehr von einem Wolf getötet worden", sagt sie. Aber im Vorjahr fielen an die 20 Hunde und 70 Rentiere den Wölfen zum Opfer.
Bis 23. Februar wird die EU-Kommission entscheiden, ob die Klage gegen Finnland weiter verfolgt wird. Helsinki hofft, dass ein neuer "Plan zur Verwaltung des Wolfsbestandes" Umweltkommissar Stavros Dimas von den guten Absichten der Regierung überzeugen kann.