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Wolken über den Bahamas

Von Michael Schmölzer und Sarah Dyduch

Wirtschaft

Wie eine abgeschiedene Pazifik-Insel vom Fischer- zum Steuerparadies wird.


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Cook-Islands - mit der Diskretion ist es jetzt vorbei.
© corbis

Wien. In Europa liefen die wilden Yuppie-Jahre gerade an, doch auf den fernen Cook-Inseln konnte davon keine Rede sein: Anfang der 80er Jahre bestach der Archipel im Südpazifik zwar mit schönen Stränden und blauem Meer - aber das hatte man auch anderswo. Jobs für die Jungen und wirtschaftliche Perspektiven gab es keine, die britischen Kolonialherren waren mit Sack und Pack abgezogen und hatten, wie in solchen Fällen üblich, nichts zurückgelassen. Wer gesund und jung war, suchte in der Fremde sein Glück, die Bewohnerzahl sank unter 20.000.

In dieser misslichen Situation traten die findigen Parlamentarier 1981 in einer windschiefen Hütte zur Krisensitzung zusammen und verabschiedeten den "International Companies Act". Kapitalkräftigen Investoren wurden mehr als sonnige Bedingungen zugesichert - zuallererst natürlich absolute Diskretion. Es dauerte nicht lange, und die Fischer-Inseln mutierten vom finanziellen Niemandsland zur Steueroase für kapitalkräftige Kriminelle aus der ganzen Welt.

Fragen unerwünscht

Das Erfolgsrezept ist einfach und in allen Steueroasen - von den Cayman- zu den Marshall-Inseln - mehr oder weniger das gleiche. Wer sich zum Finanzplatz der speziellen Art qualifizieren will, muss das geeignete Umfeld bieten, die Investoren kommen dann von selbst. Und diese zahlen für die Errichtung diverser Trusts und Briefkastenfirmen stolze Gebühren, einige tausend Euro sind das Minimum. Der Obolus wird gerne entrichtet, denn hier finden jene Millionäre, die ihr Geld nicht gerne teilen, alles, was sie brauchen: Rechtssicherheit, politische Stabilität, hier gibt es eine effiziente Verwaltung, wenig Korruption und niedrige oder gar keine Steuern auf Kapital. Zudem zeichnen sich Steueroasen meist durch geringe sonstige wirtschaftliche Aktivität aus. Das Wichtigste ist, dass dem Kunden keine unangenehmen Fragen gestellt werden: Das Kapital muss vor behördlichem Zugriff aus In- und Ausland absolut geschützt sein.

Heilige Verschwiegenheit

Das heilige Substrat einer jeden Steueroase ist die Verschwiegenheit, jeder kleinste Verwaltungsakt läuft unter diesem Siegel. Britische Jungfern-Inseln, Panama oder die Seychellen: Hier ist Anonymität absolute Ehrensache. "‚Komm’ zu uns und du musst dir keine Sorgen mehr machen, dass die Finanzaufsicht etwas herausfindet.‘ Das sind die Slogans, mit denen diese sogenannten Steuerparadiese arbeiten", erklärt Thomas Igenthaler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft.

Die Gründung etwa einer Briefkastenfirma ist einfach, prinzipiell sind nur drei Dokumente vonnöten: Ein Strohmann, der nach außen als Geschäftsführer - ,,Nominee Director" - in Erscheinung tritt, sichert dem wahren Eigentümer zu, dass er dessen Anweisungen folgen wird und keine Ansprüche gegen ihn oder die Firma hat. Dann gibt dieser Strohmann dem echten Chef, der offiziell nichts mit der Firma zu tun hat, eine Vollmacht, die diesen zum De-facto-Geschäftsführer macht. Im dritten Dokument schließlich bittet der falsche Direktor um seine Entlassung (,,Resignation Letter"). Er unterschreibt diesen Brief, trägt aber kein Datum ein - so kann der echte Chef den falschen jederzeit und sogar rückwirkend loswerden.

Maßgeschneiderte Pläne

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Oft müssen Millionäre tiefer in die Trickkiste greifen, doch auch das wird ihnen leicht gemacht. In den meisten Steueroasen haben sich ganze Wirtschaftszweige gebildet, die darauf spezialisiert sind, ihre Kunden zu beraten und bei dem Aufbau eines Scheinfirmen-Konstrukts beizustehen. Meist bieten diese Beratungsfirmen maßgeschneiderte Pläne an und könne auch gleich einen geeigneten Strohmann vermitteln. Wobei die einzelnen Sachbearbeiter oft gar nicht wissen, für wen sie da tätig sind.

Das Risiko, wegen Steuerbetrugs überführt zu werden, ist gering. "Es ist unwahrscheinlicher als ein Gewinn im Lotto", erklärt ein Berater in Panama einem BBC-Journalisten, der sich als Millionär ausgegeben hat. Der Berater rät zu einer anonymen Stiftung, damit sei er sicher. Die Steuerbehörde dürfe die Stiftung gar nicht einfach so prüfen, das würden die Gesetze nicht erlauben, sagt der Berater.

Jetzt ziehen im Reichen-Paradies dunkle Wolken auf. Durch Offshore-Leaks sprudeln Unmengen an Informationen über illegale Machenschaften, die nie ans Licht gelangen sollten. Jetzt muss so mancher Millionär befürchten, an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden - das deutsche Finanzamt hat bereits reges Interesse an den Datensätzen angemeldet.