Bundespräsident Fischer kritisiert bei Besuch in Ungarn Premier Viktor Orbán überraschend deutlich, ohne diesen namentlich zu nennen.
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Budapest. Treffen sich Staatsoberhäupter, die in ihren Ländern keine Regierungsmacht haben, langweilen sie das Publikum nachher meistens mit freundlich nichtssagenden Statements. Nichts dergleichen bot Bundespräsident Heinz Fischer am Mittwoch bei einer Begegnung mit seinem ungarischen Kollegen János Áder: "Wolken" seien am bilateralen Himmel aufgezogen, die ihn "kränken", sagte Fischer auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Áder in dessen Amtssitz, dem Sándor-Palast neben der Budapester Burg.
Ohne dass ein Reporter ihn dazu provoziert hätte, setzte Fischer noch eins drauf: In Österreichs Parlament herrsche nur ein knapper Kräfteunterschied zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien, dies stärke das demokratische Bewusstsein. Opposition und Regierung müssten "auf Augenhöhe miteinander kommunizieren", beide Seiten hätten in einer Demokratie wichtige Aufgaben, und diese "müssen ernst genommen werden". Ohne dass Fischer ungarische Verhältnisse erwähnt hätte, wurde dennoch deutlich, dass er damit zu einem Land sprach, dessen Regierungschef Viktor Orbán dem Credo folgt: "Die Heimat kann nicht in der Opposition sein." Orbán regiert seit 2010 mit einer fast allmächtigen Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Als einzige für Orbán gefährliche Opposition hat sich die rechtsradikale Partei Jobbik etabliert, das links-liberale Lager ist zersplittert, geschwächt und praktisch führungslos.
Eine der "Wolken" zwischen Wien und Budapest, sagte Fischer, sei der seit Monaten andauernde Streit um die laufende Enteignung österreichischer Bauern, die in Ungarn Ackerland über Nießbrauchverträge bewirtschaften. Einen Durchbruch gab es dabei nicht. Beide Politiker erklärten, sie hofften auf baldige Klärung aus Brüssel. Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter hatte die EU-Kommission zu Hilfe gerufen, nachdem Verhandlungen mit Budapest gescheitert waren.
Fischer sagte, er habe mit Áder ausführlich über den Boden-Streit gesprochen. Daran dürfte es gelegen haben, dass das Gespräch der beiden Staatschefs länger wurde als geplant. Ein weiteres ebenso brennendes Thema - nämlich der Umgang Ungarns mit den ausländischen Banken - wurde vom Verhandlungstisch im Sándor-Palast wegverlegt, nämlich zum Mittagstisch, der in einem eleganten Budapester Hotel bereitstand. Österreichs Banken schreiben in Ungarn hohe Verluste, weil sie nach einem neuen Gesetz viel Geld an Devisen-Kreditnehmer zurückzahlen müssen, die aufgrund der Forint-Schwäche in eine Schuldenspirale geraten sind.
Zankapfel in der Ackerland-Frage ist das seit 1. Mai geltende ungarische Bodengesetz. Demnach droht Ausländern, die über Nießbrauchverträge Ackerland bewirtschaften, eine Enteignung ohne Entschädigung. Betroffen sind etwa 200 Österreicher, die zusammen rund 200.000 Hektar Land nutzen. Diese Verträge beinhalten Konzessionen für 99 Jahre oder auf Lebenszeit. Damit wurde ein seit 1994 geltendes Verbot des Landverkaufs an Ausländer mit legalen Mitteln umgangen. Am 30. April lief die von der EU genehmigte Übergangsfrist für dieses Verbot ab. Jetzt können Ausländer Grund von bis zu 10.000 Quadratmeter kaufen. Lokale Landwirte haben ein Vorkaufsrecht. Nach dem Willen der Regierung soll ungarisches Land den Ungarn gehören.