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"Wollen gute Freunde sein"

Von Michael Schmölzer

Politik

Nachdem zwischen Athen und Berlin die Fetzen flogen, ist man jetzt um Freundlichkeit bemüht.


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Brüssel. Es war oft von Ehre, verletztem Stolz und Beleidigungen die Rede in den letzten Tagen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble geriet zur Projektionsfläche für griechische Wut auf ein "blutsaugendes" Europa, während man in Berlin - im Angesicht griechischer Unzuverlässigkeit - abschätzig den Mund verzog. Der griechische Botschafter reichte Beschwerde im deutschen Außenamt ein, weil Schäuble seinen Amtskollegen Yanis Varoufakis angeblich "dümmlich naive" Politik unterstellt hatte. Ein unter befreundeten Ländern höchst ungewöhnlicher Schritt.

Eine wirkliche Einigung zwischen Griechenland und der Eurogruppe gab es am Freitag vorerst nicht, die Stimmung in Deutschland, dem größten Gläubiger Athens, wird immer schlechter. Die Mehrheit dort hat laut Umfrage die Nase voll und will Griechenland nicht mehr in der Eurozone haben. Nur noch 40 Prozent sind gegen einen Hinauswurf. Die Medien, allen voran die "Bild", feuern Breitseiten gegen die Hellenen. Für glaubwürdig hält die griechische Regierung in Deutschland so gut wie niemand mehr.

Zeitgleich balanciert Athen am Rand der Staatspleite und braucht dringend frisches Geld. Die Banken sind nicht zuletzt deshalb massiv unter Druck geraten, weil die Griechen massenhaft Geld - die Rede ist von 22 Milliarden Euro - abgehoben und zum Teil unter der sprichwörtlichen Matratze geparkt haben.

"Jetzt scheint Deutschland das bevorzugte Opfer zu sein"

Selbst in Qualitätszeitungen wie "Handelsblatt", Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Süddeutsche" ist die Rede von "halbstarken Rüpeln", von denen man sich nichts mehr gefallen lasse. Extrawurst gibt es keine, sagt Unionsfraktionschef Volker Kauder, erwiesenermaßen kein großer Freund der linken Syriza-Regierung. Jeroen Dijsselbloem, als Chef der Eurogruppe ebenfalls ein "Falke" im Schuldenstreit meint, Griechenland solle die Verantwortung bei sich und nicht anderswo suchen. "Jetzt scheint Deutschland das Lieblings-Opfer zu sein", verteidigt der Holländer Europas Wirtschaftsmacht Nummer 1. Und: "Es gibt viel verbale Gewalt, und das führt zu nichts."

Diese Worte nahm man sich in Berlin offenbar zu Herzen: "Wir wollen Griechenland ein guter Freund und Partner sein", verkündete am Freitag Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die griechische Regierung kämpft unterdessen mit der EZB, der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds um Zustimmung zu den Reformplänen. Von einem Einlenken war zu Redaktionsschluss keine Spur. Schäuble malte am Donnerstag in Wien den "Greccident" an die Wand, also einen ungeplanten, unfallartigen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. "Da ja die Verantwortung, die Möglichkeit, zu entscheiden, was passiert, nur bei Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir das nicht ausschließen."

Genau das ist für EU-Währungskommissar Pierre Moscovici ein Horrorszenario: "Wenn ein Land ausscheidet, fragen sich die Märkte sofort, wer der Nächste ist. Und das könnte der Anfang vom Ende sein."

Noch ist es freilich nicht so weit. Zumindest war Athen am Freitag in der Lage, 348 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zu zahlen. Doch was ist das schon angesichts eines 320 Milliarden-Schuldenberges, auf dem Athen sitzt?

Also trafen einander am Freitag der griechische Premier Alexis Tsipras und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Brüssel, um nach den unschönen Szenen der letzten Tage die Angelegenheit zu bereinigen. Dabei gibt es schon eine Einigung zwischen Eurogruppe und Griechenland - jene vom 20. Februar. Dort steht, wie der Weg zur hellenischen Gesundung aussehen muss. Doch die Vereinbarung lässt, wie sich herausstellte, sehr viel Raum für Interpretationen. Die Festlegung auf konkrete, überprüfbare Schritte wurde zum großen Teil bewusst ausgespart und auf später verschoben. Es kursiert zudem das Gerücht, dass im englischen Text der Vereinbarung etwas anderes steht als im griechischen.

"Zoobesucher, die von Affen zum Narren gehalten werden"

Das "Handelsblatt" vergleicht die Situation zwischen Deutschland und Griechenland mit Zoobesuchern, die sich vor einem Affenkäfig vergnügen und nicht bemerken, dass die Schimpansen sie zum Narren halten. Auch am Freitag gab sich die griechische Seite betont kooperativ. Tsipras meinte, er sei "sehr optimistisch (. . .), dass wir eine Lösung finden". Es werde zu einer Bereinigung der "Missverständnisse" kommen. Doch Beobachter wissen: Vor großen Verhandlungen werden versöhnliche Töne angeschlagen, danach ist davon keine Rede mehr. Juncker meinte vor seinem Gespräch mit "Freund Alexis", er schließe ein Scheitern der Verhandlungen mit Griechenland völlig aus. Er sei aber unzufrieden mit den Entwicklungen der letzten Wochen, die keine echten Fortschritte gebracht hätten.

Juncker ist seit Beginn des Neuaufrollens der Schulden-Causa um einen Ausgleich bemüht - eine Haltung, die ihm viele Hardliner in der Eurogruppe übelnehmen. Sie fühlen sich in ihren Bemühungen, die Griechen auf den Platz, der ihnen zusteht, zu verweisen, torpediert. Doch Jucker bewegt die Sorge, dass die EU durch den Dauerstreit einen Schaden nehmen könnte, der schwer zu reparieren wäre. "Jetzt ist nicht die Zeit für Spaltung, es ist die Zeit, zusammenzufinden", sagt er. Tsipras bescheinigt er, einen überzeugt pro-europäischen Kurs zu verfolgen.

Um Athen zu einer Offenlegung der Bücher und Pläne zu bewegen, nahm man am Freitag überall Rücksicht auf die griechische Seele, die man um keinen Preis verletzen wollte. So traf Tsipras zunächst EU-Parlamentspräsident Martin Schulz - einen Politiker, der von der EU gerne vorgeschickt wird, wenn es um die Sondierung der Lage geht. Was Schulz dann zu sagen hatte, gefiel Tsipras: Es müsse zuvorderst das "soziale Drama" in Griechenland bekämpft werden, so der Deutsche. Es gehe um kurzfristige Hilfe gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit. Deswegen sollte Athen Gelder aus dem EU-Jugendbeschäftigungsfonds erhalten. Dieser habe einen Umfang von sechs Milliarden Euro für die Finanzperiode von 2014-2020 und könnte von Griechenland besser ausgeschöpft werden.

Wie genau, konnte Tsipras dann mit Juncker erörtern.

Nun sei es aber notwendig, rasch einen konkreten Rekrutierungsplan für junge Arbeitslose seitens Griechenlands vorzulegen, meinte Schulz. Damit verwies er vorsichtig auf das Hauptproblem, das Europas Politiker mit der neuen linken griechischen Regierung haben: Es fehlt an Greifbarem. Athen will sic nicht durch Zahlen und Fakten festnageln lassen. Nach dem Gespräch mit Schulz meinte Tsipras beinahe messianisch, er wolle eine "Botschaft der Hoffnung" für das griechische Volk und "nicht nur Umsetzungen und Verpflichtungen". Er drehte den Spieß einfach um und forderte die Euro-Partner auf, ihre Vereinbarungen zu erfüllen. "Griechenland hat bereits damit begonnen, seinen Verpflichtungen nachzukommen." Und: "Ich glaube, es gibt kein griechisches Problem, es gibt ein europäisches Problem."

Parallelwährung ohne Euro-Austritt?

Je länger das Gezerre um die griechischen Schulden dauert, desto intensiver wird über mögliche Alternativen nachgedacht - und das von den besten Köpfen. So schlägt der in England unterrichtende Wirtschaftsnobelpreisträger Christofer Pissarides die Einführung einer Parallelwährung in Griechenland vor. Das könnte geschehen, ohne das Griechenland aus der Eurozone austreten müsse. Es wäre "eine Notlösung", für den Fall, dass der griechische Staat in nächster Zeit die Löhne und Pensionen nicht mehr in vollem Umfang zahlen könne. "Der Staat könnte eine bestimmte Art von Wertpapieren ausgeben, die der Anfang einer neuen (Parallel-)
Währung werden könnte", so der Volkswirtschafts-Professor, der aus Zypern stammt und im Jahr 2010 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten hat.