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Marokkanische Sonderbotschafterin im Interview. | Alpbach. Eine türkischstämmige Ärztin, deren österreichische Patientin Angst vor ihrem Kopftuch hat. Ein nigerianischer Akademiker, der auf dem Weg von Bremen nach Tirol vier Mal von der Polizei kontrolliert wird - wegen seiner Hautfarbe, wie er sagt. Mit einer Diskussion zum Thema Vertrauen zwischen den Kulturen sind am Dienstag die politischen Gespräche in Alpbach zu Ende gegangen. Und das Vertrauen ist kaum vorhanden, wie der Chef der kulturpolitischen Abteilung im Außenministerium, Emil Brix, sagt: Kulturen seien "der erfolgreichste Motor von Misstrauen".
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Noch pessimistischer ist die marokkanische Sonderbotschafterin Assia Bensalah-Alaoui im Interview mit der "Wiener Zeitung": Besonders das Vertrauen zwischen Muslimen und Christen sei unmöglich wiederherzustellen. Man könne sich lediglich darum bemühen, dass Misstrauen abzubauen, meint sie.
Ein weiteres Problem ist laut der Marokkanerin die Entwurzelung von Migranten: Diese hätten massive Schwierigkeiten damit, ihre eigene Kultur und Identität zu finden. Und dadurch würden sie wiederum sehr anfällig für die Rekrutierungsversuche von radikalen oder traditionellen Kräften. Durch die Heimkehr von Exil-Marokkanern sei etwa das Kopftuch heute in marokkanischen Dörfern zu finden, wo dies früher undenkbar gewesen wäre, so die Sonderbotschafterin.
Gleichzeitig findet sie harte Worte für die europäische Integrationspolitik: Europa gebe zwar vor, die Menschenrechte hochzuhalten, in Wahrheit würden aber Menschen an den Grenzen zurückgestoßen und Einwanderern die Integration verunmöglicht. "Europa verliert hier an Glaubwürdigkeit", sagt Bensalah-Alaoui.
Sie fordert auch mehr Kooperation der EU mit den afrikanischen Herkunftsländern. Marokko ist zwar in den Grenzschutz eingebunden, will aber nicht nur "die Drecksarbeit für Europa machen", wie sie sagt. Bensalah-Alaoui geht es vor allem um finanzielle Unterstützung, etwa im Bereich der Entwicklungshilfe. Die Kooperation von Libyen und Italien in Sachen Abschiebungen bezeichnet sie vorsichtig als Zusammenarbeit zweier "schwieriger Partner". Auf jeden Fall sei die Rücknahme von Flüchtlingen durch Libyen in allen afrikanischen Ländern auf Ablehnung gestoßen.