Neues Dialogforum soll laut Sebastian Kurz die Islam-Debatte versachlichen.
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Wien. Es wird ein intensives "Islam-Jahr". Integrationsstaatssekretar Sebastian Kurz und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) Fuat Sanac haben am Montag ein "Dialogforum Islam" gestartet, das sich gesellschaftspolitischen Fragen - nicht theologischen, wie Kurz betont - stellen wird. "Integration und Identität", "Wertefragen" oder "Geschlechterrollen" gehören zu den Themen von sieben dafür eingerichteten Arbeitsgruppen. Die bereits begonnenen Gespräche zwischen Integrationsstaatssekretariat und IGGiÖ sowie anderen muslimischen Vertretern sollen dadurch institutionalisiert werden.
Das Ziel ist eine "Versachlichung" der Islam-Debatte, erklärte Kurz. Eigentlich hätte Österreich aufgrund seiner Anerkennung des Islam als Religionsgemeinschaft einmal eine Vorreiter-Rolle gehabt, doch Umfragen wie die 2010 herausgebrachte Imas-Studie belegten heute eine starke Islam-Skepsis in Teilen der Bevölkerung. 54 Prozent der Befragten bejahten etwa, dass der Islam "eine Bedrohung für den Westen und unsere gewohnte Lebensweise" sei.
Die Ursache für die Zunahme islamfeindlicher Strömungen sieht der Wiener Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell vor allem in der Politik der FPÖ. "Die FPÖ hat einen radikalen Schwenk von einer anti-kirchlichen Position in der Vergangenheit hin zu einer fundamentalistisch-christlichen vollzogen, die gegen den Islam und alle Migranten gerichtet ist, die zu diesem Glauben stehen und ihn behalten wollen", betont er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Zur Entemotionalisierung müssten vor allem "die Parteien in der Mitte" beitragen, indem sie sich deutlich zu Wort melden: "Wer schweigt, wird leicht als zustimmend interpretiert." Es müsse klargestellt werden, dass die Religionsfreiheit für alle in gleicher Weise gilt und Minderheiten vor Angriffen geschützt werden.
Auch die Medien, denen sich einer der Arbeitskreise widmet, nimmt Hausjell in die Pflicht. Journalisten müssten ihr Wissen erweitern: "Weiterbildung tut gut." Jene Medien, die sich mittlerweile thematisch, nicht nur anlassbezogen, mit dem Islam befassen, würden zur Versachlichung und Differenzierung beitragen. "Andernorts wird eine sehr plakative Vorstellung vom Islam präsentiert." Dabei sei es im Falle Österreich sehr leicht deutlich zu machen, dass "der Islam zu unserem Kulturkreis gehört, da er bereits 1912 anerkannt wurde."
Das Islam-Gesetz soll anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums auch heuer verändert und den gegenwärtigen Bedingungen angepasst werden. "Im Juni werden zum Jubiläum Medien-Vertreter aus allen islamischen Ländern kommen. Das wird eine große Werbung für Österreich sein", freut sich Fuat Sanac. Im Dialogforum wird sicher der Arbeitskreis "Staat und Islam" dieses Themas annehmen.
Im neuen Islam-Gesetz müssten etwa auch Militär-, Gefängnis- und Krankenhausseelsorge enthalten sein, meint Richard Potz, Leiter des Instituts für Rechtsphilosophie und Religionsrecht an der Universität Wien, der auch den entsprechenden Arbeitskreis leitet. Die Struktur der IGGiÖ orientiere sich am Modell der bosnischen islamischen Glaubensgemeinschaft, die im 19. Jahrhundert unter österreichischen Einfluss entstanden ist. Heute sei die Glaubensgemeinschaft Bosniens die "am stärksten durchorganisierte weltweit". Bemerkenswerterweise sei sie gerade im europäischen Kontext entstanden.
Vorreiter Deutschland?
Eine immer wieder auftauchende Frage ist die Zugehörigkeit der Moscheen zur IGGiÖ, da diese ja - anders als Pfarren in der katholischen Kirche - nicht inhärenter Bestandteil ihrer Struktur sind, sondern von unabhängigen Vereinen geleitet werden. "Für die Zugehörigkeit zur IGGiÖ wird es klarere Regeln geben müssen", betont Potz. "Das gleiche Problem stellt sich ja auch bei der Israelitischen Kultusgemeinde." Beide Religionsgemeinschaften müssten ein Dachverband für die Moschee- beziehungsweise Tempelvereine sein, und den "Mainstream" ihrer Religion repräsentieren. Dass sich einzelne Moscheen nicht anschließen werden und eigene Religionsgemeinschaften gründen werden, könne nicht ausgeschlossen werden. Versäumnisse sieht Potz bisher vor allem im Bildungsbereich. Es habe sich gezeigt, dass einzelne Religionslehrer und Unterrichtsmaterialien nicht die nötigen Voraussetzungen erfüllen würden.
Ein wesentliches Anliegen von Fuat Sanac wie von Sebastian Kurz ist die Schaffung einer eigenen Fakultät zur Ausbildung von Imamen. Dass es in ein bis zwei Jahren eine vollständige Imam-Ausbildung gibt, sei nicht realistisch, meinte Kurz. Eine Arbeitsgruppe werde aber Vorarbeiten leisten. An sich ist die Schaffung einer Imame-Ausbildung Sache des Bildungsministeriums. Deutschland dürfte Österreich hier seine Vorreiterrolle streitig machen. Mittlerweile gibt es dort schon sechs Lehrgänge.