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"Woodstock Nation" statt Resignation: Auch nach 40 Jahren lebt der Mythos

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Eigentlich hätte es die Zeit der Resignation sein müssen. Ende 1968 war der Republikaner Richard Nixon zum US-Präsidenten gewählt worden, nach einem auch international turbulenten Jahr. Sein potenzieller Gegenkandidat Robert Kennedy war ebenso wie der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King ermordet, politische Proteste brutal niedergeschlagen worden, und in Vietnam waren mehr US-Soldaten stationiert worden als je zuvor, eine halbe Million.


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Aber selbst die Veranstalter waren überrascht, als sich annähernd ebenso viele Menschen am 15. August 1969 in White Lake bei Bethel versammelten, um bei der "Woodstock Music & Art Fair" dabei zu sein. Hier zelebrierte sich wie nie zuvor und nie danach die Gegenkultur, die sich Mitte der 60er Jahre in den USA gebildet hatte - und bildete so eine Legende, stark genug, um 40 Jahre danach die Medien das Jubiläum intensiv feiern zu lassen.

In der Geburtsstadt der Hippie-Bewegung, in San Francisco, war schon 1967 der letzte Hippie in einem ironischen Akt zu Grabe getragen worden, weil die Außenseiter zur Touristenattraktion geworden waren. Mittlerweile war die Zahl derjenigen, die sich außerhalb der etablierten Gesellschaft mit ihrer rigiden Disziplin stellen wollten, aber deutlich angewachsen, wie das Woodstock Festival bewies. Mehrheitlich Mittelstandskinder, wollten sie mit der leistungs- und konsumorientierten Welt ihrer Eltern nichts mehr zu tun haben, und auch nicht mit dem Krieg, den diese unterstützten.

Diese Gegnerschaft ist möglicherweise das Letzte, was die lebensreformerischen, immer stärker von Drogen und freier Liebe angezogenen Hippies und die Polit-Aktivisten noch verband. Dass diese Sphären längst auseinandergedriftet waren, macht auch Woodstock deutlich.

Zwar weckte der "Fuck-Cheer", mit dem der zweite Act Country Joe McDonald sein Vietnam-Lied einleitete, das Publikum auf, für die Ikone der Bürgerrechts- und Protestliedbewegung, Joan Baez, gab es zum Ausklang desselben Tages aber nur noch müden Applaus. Und ein Statement von Abbie Hoffman, Vertreter der "Yippies", des politischen Hippie-Flügels, wurde von Who-Gitarrist Pete Town-shend rüde unterbunden - unter dem Beifall des Publikums. Trotzdem bekannte sich Hoffman wenig später als Angehöriger der "Woodstock Nation", einer "Nation entfremdeter junger Leute", und strickte damit an der Legende, ebenso wie die Dokumentarfilme und die Schallplatten über das Festival. Die durch sie dokumentierte Stimmung von Musik und Friedfertigkeit trotz Regen und chaotischer Infrastruktur beeinflusste auch in Europa die folgenden Jahre bis hin zur Ökologie-Bewegung. Denn Woodstock wurde vor allem deshalb zum Mythos, weil darin der Traum von einer toleranten, gewaltlosen Gesellschaft anklingt.