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Woraus sich die Wut der Rothemden speist

Von Klaus Huhold

Politik

Thailand: Seit Jahren herrscht ein politischer Konflikt. | Versöhnung der Lager rückt in immer weitere Ferne. | Bangkok/Wien. Die Rothemden haben bei ihren Demonstrationen in Bangkok jede Menge Symbolik eingesetzt. Es war kein Zufall, dass sie ihr Protestcamp ausgerechnet im Stadtteil Ratchaprasong aufgeschlagen hatten. Das ist ein Geschäftsviertel mit noblen Einkaufspalästen, in denen westliche Luxusware feilgeboten wird. Und plötzlich belagerten arme Landbewohner und städtische Tagelöhner eines der Zentren des wohlhabenden Thailands. Die Botschaft war klar: Die Unterpriviligierten erheben sich, es ist ein Kampf von Arm gegen Reich.


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So verlaufen grundsätzlich auch die Fronten in der thailändischen Krise. Die Rothemden rekrutieren sich hauptsächlich aus der ärmeren Landbevölkerung im Norden und Nordosten des Landes und aus weniger wohlhabenden Städtern. Die Regierung wird wiederum vor allem von der Mittel- und Oberschicht und im Süden des Landes unterstützt. Natürlich ist das nur eine Grobeinteilung: Zum Teil verlaufen die Trennlinien durch einzelne Familien. Der Graben zwischen den beiden Fronten wird jedenfalls immer tiefer, immer mehr beherrscht die Gewalt die Politik. Um den Konflikt zu verstehen, muss man ein paar Jahre zurückblicken.

Putsch gegen Premier

2006 wurde der von vielen Rothemden verehrte Thaksin Shinawatra vom Militär weggeputscht. Der Vorwurf lautete Machtmissbrauch. Tatsächlich hatte der Milliardär sein Amt dazu genutzt, seine Geschäfte äußerst steuerschonend voranzutreiben. Er floh ins Exil, als ihn ein thailändisches Gericht wegen Korruption verurteilte.

Gleichzeitig initiierte Thaksin während seiner Amtszeit viele Sozialprogramme, etwa Mikrokredite oder eine bessere Krankenversorgung. Zudem gab er sich jovial und war sozusagen ein Premier zum Anfassen. Seine Popularität stützte sich vor allem auf die ärmeren Bevölkerungsschichten, besonders im Norden des Landes, aus dem er selbst stammt.

Als dann Ende 2007 wieder Wahlen stattfanden, siegten mit der Partei der Volksmacht (PPP) erneut Thaksins Sympathisanten. Dies trieb die sogenannten Gelbhemden, eine Bewegung der Mittel- und Oberschicht, auf die Straße. Sie fürchteten die Rückkehr Thaksins, den sie für nichts weiter als einen korrupten Emporkömmling halten. Die Proteste der Gelbhemden gipfelten in der Besetzung des Bangkoker Flughafens. Schließlich wurde die PPP vom Höchstgericht wegen angeblichen Wahlbetrugs verboten. Dies ebnete Abhisit Ende 2008 den Weg ins Premiersamt.

Bis heute ist der Zorn der Rothemden über die damaligen Ereignisse groß: Das Gerichtsurteil ist für sie Ausdruck einer Klassenjustiz. Abhisit halten sie für einen Premier der Eliten, der keine Legitimation besitzt, da er nicht vom Volk gewählt wurde.

Bei seinem Amtsantritt Ende 2008 wollte Abhisit das Land noch versöhnen. Und es war tatsächlich keineswegs so, dass er die Interessen der Armen ignoriert hätte. Viele Sozialprogramme hat er weitergeführt oder initiiert. Trotzdem gelang es ihm nie, bei den ärmeren Bevölkerungsschichten zu punkten. Der Oxford-Abgänger wirkt bei seinen öffentlichen Auftritten sehr steif. Zudem schossen sich die den Rothemden nahestehenden Medien von Anfang an auf ihn ein.

Was für Abhisit ein Zugehen auf die Rothemden zusätzlich erschwerte, war der große Einfluss, den Thaksin auf die Bewegung bis heute ausübt. Der Ex-Premier soll die jüngsten Proteste in Bangkok kräftig mitfinanziert haben. Und irgendwelche Zugeständnisse an Thaksin, dessen Anhänger etwa eine Amnestie für den verurteilten Geschäftsmann fordern, wollte der langjährige Thaksin-Gegner Abhisit nicht machen. Er hätte es sich auch nicht leisten können, ohne in den eignen Reihen sein Gesicht zu verlieren.

Die jüngsten Gewaltausbrüche haben laut Beobachtern bewiesen, dass Thailand nichts mehr als ein Projekt der nationalen Versöhnung bräuchte. Doch die Fronten verhärten sich immer mehr und nichts scheint im Moment unwahrscheinlicher.