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Worte in die Waagschale gelegt

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Gesetz für Medien und Behörden. | Menschen müssen nicht unbedingt druckreif sprechen. | Pressburg. Bisher sind es in der Europäischen Union die Franzosen, die als äußerst empfindlich gelten, wenn es um ihre Muttersprache geht. Den Rang als Sprachschützer könnten ihnen aber schon bald die Slowaken ablaufen. Das Parlament in Pressburg berät derzeit über eine Novelle des Gesetzes über die Staatssprache, die von Kulturminister Marek Mad´aric in den Nationalrat eingebracht wurde. Anders als in Frankreich, wo sich eine Kommission um die Reinheit der Sprache von Fremdwörtern sorgt, geht es im Nachbarland darum, das Niveau des Sprachgebrauchs im öffentlichen Raum deutlich zu heben. Diese Idee ist nicht ganz neu; schon im Regierungsprogramm vom August 2006 wurden entsprechende Schritte angekündigt.


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Das Kulturministerium ist die zentrale Institution der Slowaken zur Pflege ihrer Sprache. Auf der Internetseite der Behörde wird die slowakische Sprache gar als wichtigste Besonderheit des slowakischen Volkes bezeichnet. Womit zugleich schon gesagt ist, woraus unsere Nachbarn einen Großteil ihres Stolzes beziehen: Slowakisch mit seinen nahezu unzähligen Endungen ist aus Sicht vieler Bürger des Nachbarlandes nämlich so schwer, dass es gewissermaßen nicht erlernbar ist, wenn man nicht als Slowake geboren wurde.

Strafe bis zu 5000 Euro

Es gibt wissenschaftliche Abhandlungen darüber, dass Slowakisch, das erst im 19. Jahrhundert von L´u dovít Stúr kodifiziert wurde, die allerschwerste Sprache der Welt sei. Slowaken selbst haben angeblich nur Schwierigkeiten, wenn es darum geht, ob bestimmte Wörter mit "i" oder "y" geschrieben werden, weil zwischen den Buchstaben kein Unterschied zu hören ist.

Mad´aric weiß deshalb auch die meisten seiner Landsleute sicher auf seiner Seite. Zunächst sorgte zwar der Umstand, dass Verstöße gegen die Staatssprache ab 1. August mit Geldbußen zwischen 100 und 5000 Euro belegt werden können, für einigen Wirbel, die kritischen Stimmen verstummten jedoch relativ schnell. Sanktioniert werden kann übrigens ein schwerwiegender sprachlicher Fauxpas, der im Umgang mit Behörden, in Radio- oder Fernsehsendungen, in Zeitungsüberschriften oder Werbematerial oder an Kulturdenkmälern vorkommt, wobei es Mad´aric zufolge kein Problem sein soll, wenn sich Menschen nicht druckreif artikulieren.

Die Vertreter der Ungarnpartei SMK hielten das Gesetz zunächst für unvereinbar mit der Europäischen Charta über Regional- und Minderheitensprachen, weil künftig grammatikalische Fehler sanktioniert werden könnten. Der Minister wehrte sich jedoch heftig. Es gehe nicht um konservative und damit kleinliche Sprachpflege. Durch die Staatssprache sollten vielmehr alle Bürger integriert werden, sie sei ein Mittel zur allgemeinen Verständigung. Im Übrigen werde die sprachliche Situation von Minderheiten durch besondere Vorschriften geregelt.

Inzwischen hat sich der Kultur- und Medienausschuss des Parlaments auf eine geänderte Fassung des Gesetzesentwurfs verständigt, der auch auf die Zustimmung der SMK stößt und den Nationalrat passieren dürfte. Die SMK-Abgeordnete Ágnes Biró begrüßte "die Verschiebung zu europäischen Standards" ausdrücklich.

Immer zuerst slowakisch

Ärzte und das behandelnde Personal in Sozial- und Gesundheitseinrichtungen müssen künftig nicht ausschließlich auf Slowakisch kommunizieren, wenngleich sie dies freilich in erster Linie tun sollen. Im Übrigen müssen sie keine Minderheitensprache beherrschen, wie es zunächst gefordert worden war. Lehrer an bilingualen Schulen müssen ihre Tätigkeit anders als zunächst vorgesehen mit Ausnahme der Stundenvorbereitungen nicht zweisprachig dokumentieren.

Ist ein Kulturdenkmal in mehreren Sprachen beschriftet, steht von wenigen Ausnahmen sogenannter "ursprünglicher Schöpfungen" abgesehen an erster Stelle zwingend die slowakische Inschrift, erst dann eine anderssprachige; dabei entscheidet das Kulturministerium über die verbindliche Fassung.

Regional- und Lokalsender sollten zunächst verpflichtet sein, ein Programm, das zunächst in Minderheitensprachen ausgestrahlt wurde, später auf Slowakisch zu wiederholen; davon wird in der geänderten Fassung des Gesetzesentwurfs abgesehen.