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Worte sind nicht genug

Von Moses Mukitale

Gastkommentare

Die Geschichten der Flüchtlingskinder aus dem Südsudan sind herzzerreißend. Die Hilfe für sie war von Anfang an unterfinanziert.


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Die Fragen hören nicht auf – und die Kinder, die ich jeden Tag treffe, wollen Antworten: "Moses, werden wir je dieses Camp verlassen? Moses, werden wir unsere Eltern wiedersehen? Moses, haben wir nächsten Monat genug zu essen? Moses, ich brauche Bücher. Ich hätte gerne Stfite. Ich möchte Schuhe."

Moses Mukitale
© privat

Die Geschichten der Flüchtlingskinder aus dem Südsudan sind herzzerreißend. Manche haben gesehen, wie ihre Eltern kaltblütig ermordet wurden, andere wurden sexuell missbraucht oder mussten mitansehen, wie ihre Familienmitglieder entführt wurden.

Es sind bereits eine Million südsudanesische Flüchtlinge in Uganda. Und jeden Tag kommen weitere hunderte verzweifelte Menschen an. Da sind Kinder ohne Schuhe, die niemals gedacht hätten, dass sie einmal auf einem Viehtransporter in Flüchtlingssiedlungen gebracht würden. Sie hatten nicht vor, ihre Heimat zu verlassen und unter Planen zu schlafen. Sie träumten von besserer Bildung, guter Nachbarschaft, einem funktionierenden Gesundheitssystem und einem schönen Leben. Diese Träume gehören der Vergangenheit an.

"Spendenmüdigkeit", sagen meine Freunde aus anderen Teilen der Welt, wenn ich sie frage, warum nicht mehr getan wird, um den Flüchtlingen zu helfen. Dieses Phänomen bedeutet ja, dass Menschen nicht mehr für Hilfsprojekte spenden, obwohl sie es in der Vergangenheit getan haben. Aber bei der Südsudan-Flüchtlingskrise war die Hilfe von Anfang an unterfinanziert, seit 2013. Ist das "Müdigkeit" oder einfach ein "Wegschauen"?

Mir wurde auch erklärt, dass Leute nicht gerne für die Hilfe bei politisch motivierten Krisen spenden, sondern lieber für Opfer von Naturkatastrophen. Aber dabei wird etwas sehr Wichtiges vergessen: Eine Katastrophe bleibt eine Katastrophe – egal was dahintersteckt. Nur die Umstände machen den Unterschied aus. Das Leid tragen immer die Unschuldigen.

Südsudanesische Flüchtlinge in Uganda.
© World Vision

Keiner der Menschen aus dem Südsudan hat freiwillig entschieden, sein Zuhause zu verlassen. Sie sind geflohen, weil sie keine Wahl hatten. Ganz einfach, weil sie Angst um ihr Leben hatten.

Vergangene Woche hat mich die 16-jährige Grace angesprochen: "Bis wann sollen wir denn noch so wenig zu essen bekommen? Es ist nicht genug. Du sagst immer, dass wir bald mehr haben werden. Aber wann wird das sein?" Grace und andere Kinder verlieren die Geduld. Ihnen wurde immer wieder versprochen, dass es besser wird. Wenn ich mit ihnen rede, versuche ich, Worte zu finden, die sie aufbauen. Aber Worte sind nicht genug.

Uganda hat seine Türen für die Nachbarn geöffnet. Es war und ist nach wie vor ein Akt der Liebe und des Verständnisses. Aber: Wir können das nicht alleine schaffen. Andere Regierungen haben versprochen, zu helfen. Im Juni haben Uganda und die Vereinten Nationen um Hilfe in der Höhe von 2 Milliarden US-Dollar aufgerufen, um 1,3 Millionen Flüchtlinge in den kommenden vier Jahren zu unterstützen. Bisher wurden erst 350 Millionen aufgebracht.

In anderen Ländern wird darüber diskutiert, ob es "notwendig ist, Flüchtlinge aufzunehmen und für sie zu sorgen." Wir hier in Uganda können nicht warten. Die Flüchtlinge aus dem Südsudan kommen jeden Tag. Wir können nicht einfach unsere Augen schließen vor dem Leid dieser unschuldigen Menschen.

Und wie Anne Frank einst sagte: "Niemand ist je vom Geben arm geworden."

Moses Mukitale arbeitet als Kommunikationskoordinator bei der internationalen Hilfsorganisation World Vision. Derzeit unterstützt er den Hilfseinsatz in Uganda.