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Das teilweise gewaltsame Räumen eines Flüchtlingsbusses in Clausnitz erschütterte die Medien, die Politik und die Menschen. Ein 15-jähriger Libanese wurde unter Einsatz der gebotenen Gewalt aus den Bus in die Unterkunft verbracht.
Grundlage der Aufregung war ein 33-sekündiges, aus dem Zusammenhang gerissenes Video, das ins Internet gestellt worden war.
Später wurde bekannt, dass der seinen Unmut über die Flüchtlingsunterbringung kundtuende "Mob" provoziert geworden sein sollte: Mit Stinkefinger und Kopf-Abschneide-Gesten.
Übrig bleibt bei mir eine gewisse Unsicherheit: Was ist wirklich passiert?
Berichterstattungen wie diese über Vorfälle wie diesen scheinen nur mehr vorgefasste Meinungen zu bedienen. Geschehenes wird auf weiß - schwarz reduziert: Mob - Flüchtlinge. Polizeigewalt - Menschenrechte. Rechts - Links.
Integration ist das Werden eines Neuen, durch Zusammenwachsen von bisher voneinander Getrenntem, Unabhängigem. Somit könnte Integration auch die Chance darstellen, etwas "Besseres" zu kreieren. Dafür wäre aber die Bereitschaft zur größtmöglichen Objektivität aller Beteiligten erforderlich.
Objektivität wurde in Winston Smiths (Orwells 1984) Welt als staatsgefährdend abgeschafft. Es gibt nur mehr eine, sich immer wieder wandelnde Wahrheit. Objektivität ist aber auch in den heutigen rechtsstaatlichen Demokratien - zumindest - unerwünscht. Objektivität stellte wahrscheinlich schon immer für Regierende ein gewisses Risiko dar. Regieren bedeutet eben auch Kompromisse eingehen. Bedenklich wird es, wenn eingegangene Kompromisse nicht mehr publiziert werden (dürfen). Noch nie wird der Großteil der Menschheit derart umfangreich informiert und dabei so umfassend unwissend gewesen sein wie heute. Leider schaffen sich viele in ihren Social Medien ihre eigene objektive Wahrheit.
Der Grund dieser Kritik ist, dass sogar Privatvideos, wie das gegenständliche, in gute und in böse eingeteilt werden.
Privatvideos über Polizeigewalt werden immer positiv aufgenommen. Privatvideos über staatliche Gewaltakte anderer Behörden dagegen sind bei Strafe verboten. Das Mitfilmen einer gewaltsamen Kindesabnahme durch ein Jugendamt führt direkt auf die Anklagebank. Hier wird von Nötigung und Schlimmerem gesprochen. Alle Amtshandlungen der Jugendämter sind immer richtig und rechtens. Alle Aufzeichnungen über Amtshandlungen der Jugendämter sind immer falsch und kriminell. Dabei wurde schon vor Jahren, zum Beispiel 2007 im Zusammenhang mit Lucas Ermordung, die Mitschuld der Jugendwohlfahrt, als Systems und nicht als schuldhaftes Handeln einzelner Akteure, am Tod des Kindes durch das Gericht festgestellt. Da außer kosmetischen Reformen nichts geschah, geschahen - vorhersehbar und vorhergesehen - weitere Kinderrechtsverletzungen unter den Augen der Jugendämter. 2014 war das Schließen aller Wohngemeinschaften der Jugendämter in Graz die einzige Möglichkeit, die fortgesetzten sexuellen Übergriffe auf Kinder, die ihren Familien abgenommen wurden, um sie vor Gewalt zu schützen, zu beenden. Jetzt wurde bekannt, dass tausende Kinder, die alleine nach Europa geflüchtet sind, als Sexsklaven gehalten werden.
Der Umgang mit Kinderrechtsverletzungen, egal ob sie Flüchtlingskinder oder nicht betreffen, zeigt, wie unerwünscht Objektivität wieder geworden ist; frei nach Qualtingers Herrn Karl: "Es gibt Dinge, da woll'n' ma nicht dran rühren, niemand in Österreich erinnert sich daran gern..."
Und es gibt Dinge, da woll'n' ma nicht dran rühren, niemand in Österreich macht sich gern bewusst, dass ...