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Worum es beim Verbot der Burka wirklich geht

Von Claudia Vogt

Gastkommentare

Einmal abgesehen von saudi-arabischen Touristinnen auf dem Flughafen - wie vielen vom Scheitel bis zur Sohle verschleierten Frauen sind Sie hierzulande schon begegnet? Einer vielleicht, und das nur einmal? In ganz Österreich tragen geschätzte hundert Frauen den islamischen Ganzkörperschleier, der nur die Augen freilässt. In ganz Europa sind es höchstens ein paar tausend, und in Dänemark ließ sich trotz Debatte um ein Burka-Verbot keine Einzige auftreiben.


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Auch wenn Politiker auf Stimmenfang das gerne übersehen: Um die Demokratien in Europa wäre es denkbar schlecht bestellt, wenn sie einige wenige Frauen in Burka oder Nikab in Bedrängnis bringen könnten.

Unbestreitbar verhüllen sich nicht alle Musliminnen aus freien Stücken. Dass Väter und Ehemännern sie dazu zwingen, ist eine schwere Menschenrechtsverletzung, und der Staat muss die Entscheidungsfreiheit der Betroffenen gewährleisten. Aber ein Artikel im Strafgesetzbuch, der ein Stück Stoff verbietet, befreit diese Frauen nicht.

Wie in Belgien das Tragen des Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit unter Strafe zu stellen, vertreibt sie bloß in die häusliche Isolation. Ihre Chance auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auf Freiheit und auf Gleichberechtigung sinkt rapide: Ziel verfehlt.

Ein Burka-Verbot ist stigmatisierend, diskriminierend, unverhältnismäßig und menschenrechtswidrig. Denn jene Frauen, die aus freien Stücken ihre Identität oder ihren Glauben mit dem Gesichtsschleier ausdrücken wollen, schränkt ein Verbot ohne legitimen Grund in ihren Rechten ein. Wir vergessen es dann und wann, aber freie Religionsausübung, Meinungsäußerung und ein geschütztes Privatleben genießt man nicht nur. In einer Demokratie muss man sie immer auch anderen gewähren - gleich, ob man mit deren Kleidung, Frisur oder Weltbild einverstanden ist oder nicht.

Selbst das Schreckgespenst des Terrorismus werden die Befürworter eines Verschleierungsverbots nicht müde heraufzubeschwören, wenn sie einmal nicht die Frauenrechte missbrauchen. Unter den Tisch fällt dabei, dass vor Gericht oder bei Sicherheitskontrollen schon jetzt jeder sein Gesicht zeigen muss. Das ist auch aus Sicht einer Menschenrechtsorganisation vollkommen legitim, und dazu bedarf es keiner neuen Gesetze.

Doch um all das geht es den rechtspopulistischen Rattenfängern und ihren Trittbrettfahrern letztlich gar nicht. Mit der Debatte allein wird eine ganze Bevölkerungsgruppe stigmatisiert, diskriminiert und ausgegrenzt. Das gilt es zu enthüllen.

Claudia Vogt ist Pressereferentin von Amnesty International Österreich.