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Wowereit am seidenen Faden

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Berlin: Parteiwechsel gefährdet Rot-Rot. | Berlin. Die Parlamentsmehrheit der Berliner Senatskoalition aus SPD und Linkspartei ist durch den Wechsel einer sozialdemokratischen Abgeordneten zu den Grünen auf eine einzige Stimme geschrumpft. Am Montag hatte die in der Türkei geborene 43-jährige Rechtsanwältin Canan Bayram die SPD-Fraktion verlassen und war zu den Grünen gewechselt. Damit haben SPD und Linke gemeinsam nur noch 75 Abgeordnete, gegenüber der Opposition aus CDU, FDP und Grünen mit insgesamt 74 Abgeordneten.


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Als Grund für ihren Parteiwechsel nannte Frau Bayram die zunehmende Frauenfeindlichkeit der Fraktionsführung und bezog sich unter anderem auf den Vergleich der Kreuzberg-Randalierer mit Vergewaltigern, den SPD-Innensenator Körting gezogen hatte. Dass diese Kritik ausgerechnet von der für Frauenfragen Zuständigen kommt, ist für Parteichef Klaus Wowereit und Fraktionschef Michael Müller besonders peinlich.

Inzwischen überlegt auch ein Abgeordneter der Berliner Linken, seine Fraktion zu verlassen. Wegen der "zunehmenden Radikalisierung der Bundespartei" hatte der 40-jährige finanz- und haushaltspolitische Sprecher der Linken, Carl Wechselberg, gleichfalls in dieser Woche alle seine Ämter niedergelegt und erwägt seither den Austritt aus der Fraktion.

Zwar wolle er das "rot-rote Projekt" in Berlin weiterhin unterstützen, das könne er aber auch als fraktionsloser Abgeordneter. Noch ist dieser Austritt nicht vollzogen, aber selbst das ehemalige SED-Organ "Neues Deutschland" schreibt: "Einen solchen Mann zu verlieren, wäre für die Linksfraktion ein schmerzlicher Verlust".

Berlins Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit (SPD), beschwichtigt mit dem Hinweis, dass knappe Mehrheiten eher die Reihen dichter schließen. Oppositionsführer Frank Henkel (CDU) sieht die rot-rote Koalition hingegen "am Rand der Regierungsfähigkeit taumeln". Gelegentlich wird sogar mit vorgezogenen Neuwahlen spekuliert.