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"Wozu brauchen Eisenstadt und Bregenz einheitliche Regeln?"

Von Walter Hämmerle

Politik

Vorarlbergs Landeschef übernimmt Vorsitz der Landeshauptleutekonferenz.


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Der Standort bestimmt den Standpunkt: Von Bodensee aus betrachtet sind Wien und der Osten Österreichs ziemlich weit weg.
© Wikipedia/Uwe Dedering

"Wiener Zeitung":Ob Rechnungshof oder Wirtschaftsforscher, sie alle sehen im Föderalismus einen, wenn nicht sogar den größten Hemmschuh für Reformen in Österreich. Wie erklären Sie sich diesen Ansehensverlust der Länder?

Markus Wallner: Diese Ansicht spiegelt eine ziemliche Fehleinschätzung der Gesamtsituation Österreichs wider, zumal gerade in den vergangenen Monaten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern einiges weitergegangen ist, das jedoch öffentlich nicht wirklich wahrgenommen wurde. Die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit ist ein wirklicher Durchbruch, und die jüngste Einigung in der Gesundheitspolitik ermöglicht erstmals eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Spitälern und niedergelassenen Ärzten. Es ist an der Zeit, in Erinnerung zu rufen, welche Leistungen der Föderalismus zustande gebracht hat: Dass zwei, drei Regionen Österreichs zu den besten in Europa zählen, belegt die Leistungsfähigkeit vernünftiger Landespolitik.

Aber wie erklären Sie Ihren Bürgern die Entwicklungen in Kärnten, das de facto bankrott ist, in Salzburg, wo hunderte Millionen verspekuliert wurden, und in anderen Ländern? Regelungen müssen sich doch an den Schwächsten, nicht an den Stärksten orientieren.

Hier handelt es sich um schwerstes Führungsversagen, das kann auf allen Ebenen auftreten, dagegen gibt es keine Garantie. Allein deshalb kann ich jedoch in einer Zentralisierung kein Alleinmittel erkennen. Im Gegenteil, ich plädiere dafür, die Verantwortung für die Gebarung noch näher an die Länder zu rücken - je weiter weg Entscheidungen getroffen werden, desto mehr verschwimmt die politische Verantwortung. Ich warne davor, aus Salzburg jetzt die Konsequenz zu ziehen, dass das Schuldenmanagement nur über den Bund oder die Bundesfinanzierungsagentur laufen sollte, schließlich wurden auch hier hunderte Millionen verspekuliert; und es ist der Bund, der über Jahrzehnte Milliarden an Schulden angehäuft hat. Man kann die Finanzverantwortung für ein Bundesland nicht einfach nach Wien abgeben - und den betroffenen Ländern dürfen die Probleme auch nicht einfach abgenommen werden. Die Damen und Herren müssen im Rahmen der Finanzautonomie in die Pflicht genommen werden.

Kärnten wäre dann de facto zahlungsunfähig, und Salzburg müsste sein Budget rigoros zusammenstreichen.

So weit wird man in einem solidarischen Staat natürlich nicht gehen können, aber Solidarität muss auch Grenzen haben - und dort, wo man die finanzielle Verantwortung nicht wahrgenommen hat, muss dies Folgen haben.

Das Problem ist nur, dass die Bürger in ihrem Alltag kaum spüren, ob sie auf Landesebene gut oder schlecht regiert werden, das Geld fließt ja über den Finanzausgleich einfach weiter.

Das ist ein berechtigter Kritikpunkt, deshalb bin ich dafür, dass zur Finanzautonomie auch ein gewisses Maß an Einnahmenverantwortung gehört. Heute werden die Steuern - bis auf wenige Ausnahmen - vom Bund eingenommen und dann verteilt. Das führt zu einem relativ guten inner-österreichischen Ausgleich, dafür ist die Finanzverantwortung relativ weit weg. Die Frage einer Steuerhoheit müsste mit der gleichen Intensität wie die Zentralisierung geführt werden. Ich gebe aber zu, dass dies eine schwierige Sachfrage ist, es gibt auch keine einheitliche Sicht der Landeshauptleute.

Von Bundesseite her geht der Trend in Richtung Vereinheitlichung, sei es bei der Finanzhoheit oder beim Jugendschutz. Ich kann nur nicht erkennen, warum Bregenz und Eisenstadt unbedingt einheitliche Ausgehregelungen benötigen. Für Vorarlberg ist wichtiger, dass wir im Bodensee- und Alpenraum vernünftige europäische Rahmenbedingungen haben. Die Vereinheitlichung mit Eisenstadt oder St. Pölten bringt uns nichts, da ist eine Angleichung mit Süddeutschland, Norditalien und der Ostschweiz wichtiger. Wir müssen weg vom engen österreichischen Föderalismus hin zu starken Regionen im EU-Rahmen. Nationale Normen sollten auf ein notwendiges Grundmaß reduziert werden.

Bei den Ländern kommt ein Defizit an demokratischer Kontrolle hinzu. Strukturelle Mehrheitsparteien haben sich hier kleine Königreiche geschaffen, wo Lokalmedien, öffentliche Unternehmen und politische Mehrheitspartei eng miteinander verzahnt sind, die einen Machtwechsel zusätzlich erschweren.

Hier schwingt die Unterstellung mit, dass es in den Ländern undemokratische Bedingungen gebe. Das ist zurückzuweisen, die politischen Mehrheitsverhältnisse sind natürlich das Ergebnis demokratischer Wahlen. Man sollte zudem nicht dem Vorurteil erliegen und glauben, die Kontrolle sei nur dann gut, wenn sie vom Bund wahrgenommen werde. Wären Salzburg und Vorarlberg bei der Parteienfinanzierung nicht vorgeprescht, gäbe es wohl heute noch auf Bundesebene keine strengeren Regeln. Bei uns kann der Rechnungshof sämtliche Gemeinden prüfen, wir haben neue Transparenzbestimmungen für Abgeordnete eingeführt, wir schaffen derzeit gerade eine neue Form der Bürgerbeteiligung, die sehr viel weiter geht als das, was der Bund hier plant.

Die ÖVP steht - wieder einmal, muss man fast schon sagen - vor einem schicksalhaften Wahljahr, bei den Nationalratswahlen droht der Absturz auf Platz drei . . .

Es ist ein turbulentes Jahr zu erwarten - erst die Wehrpflicht-Volksbefragung, dann vier Landtagswahlen und schließlich die Nationalratswahlen. Die Ausgangslage ist nicht einfach, aber auch voller Chancen, neue Parteien wirbeln das ganze Gefüge derzeit durcheinander, die Wählermobilität war wohl noch nie so hoch - alles wird von der Mobilisierungskraft der Partei abhängen. Zuvor sollte die Koalition noch einige Brocken aus dem Weg räumen, etwa bei der Ganztagsschule, beim Lehrerdienstrecht, beim Spekulationsverbot.

Haben Sie das Gefühl, die Bürger wissen, für welche Politik die ÖVP überhaupt steht?

Wenn man es wissen will, dann schon, aber man muss jetzt mobilisieren und die Inhalte deutlich machen, für die man steht: Für eine Wirtschaftspolitik, die Arbeit schafft, für Familien. Das sind auch die beiden Bereiche, die - wenn die finanzielle Lage es wieder erlaubt - steuerlich entlastet werden sollten.