Ein einziges gemeinsames Militär für alle EU-Staaten wäre außerordentlich sinnvoll, politisch gut argumentierbar und könnte viel Geld sparen.
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Dass die EU für die nächsten Jahre eine moderate Erhöhung ihrer Budgets wünscht, dürfte bei den meisten Bürgern derzeit ungefähr so populär sein wie Angela Merkel in den Straßen von Athen. Beliebt macht sich in der EU eher, wer ihre Institutionen auf finanzielle Nulldiät setzen will. Das hat teils irrationale, teils aber auch nachvollziehbare Gründe. Denn die EU wird auch von vielen, die ihr nicht grundsätzlich feindselig gegenüberstehen, zunehmend als Veranstaltung empfunden, die sich um vieles kümmert, um das sie sich bessern nicht kümmern sollte - und gleichzeitig um vieles nicht kümmert, um das sie sich durchaus kümmern sollte.
Warum beispielsweise Europas Landwirtschaft von Brüssel aus administriert werden muss, anstatt (wieder) Sache der Nationalstaaten zu sein, kann heute niemand mehr schlüssig argumentieren. Vermutlich würde eine Rückübertragung dieser Kompetenzen nach Wien, Berlin oder Warschau nicht eben zu europäischen Hungersnöten führen.
Zugleich stellt sich aber dringend die Frage, wie sinnvoll es ist, dass innerhalb der EU 27 (demnächst 28) Armeen mit 27 Verteidigungsministerien, 27 Generalstäben und 27 Militärbudgets existieren, als gälte es noch immer, Vorkehrungen für den nächsten preußisch-österreichischen Krieg zu treffen.
Es gibt wahrscheinlich kaum ein anderes Politikfeld, bei dem eine Mehrheit der europäischen Bevölkerung so leicht von der Sinnhaftigkeit einer Übertragung der entsprechenden Kompetenzen nach Brüssel zu überzeugen wäre. Dass Europa in Wahrheit nur eine Armee, nur eine Luftwaffe und nur eine militärische Führung braucht, liegt ziemlich auf der Hand. Schon jetzt finden ja nahezu alle militärischen Einsätze europäischer Mächte aus gutem Grunde zusammen mit anderen EU-Staaten statt, etwa zuletzt in Libyen.
Dass sich 27 EU-Staaten (die EU selbst kann für dieses Manko ja mangels Kompetenz nichts) trotz der Schlüssigkeit dieses Argumentes wohl auch weiterhin 27 Armeen leisten werden, dürfte nur zum Teil an nationalen Befindlichkeiten liegen. Zu vermuten ist darüber hinaus nämlich auch, dass die riesigen Einsparungspotenziale, die da zu heben wären, alle 27 nationalen Armee-Bürokratien instinktiv in den Verteidigungsmodus versetzen.
Zumal die Einsparungspotenziale erheblich sind: Angesichts von rund 200 Milliarden Euro, die in der EU jährlich für die 27 nationalen Armeen, Luftwaffen, Marineeinheiten und Administrationen ausgegeben werden, ist nicht schwer kalkulierbar, wie viel Geld sich die Steuerzahler dank einer einheitlichen europäischen Landesverteidigung ersparen könnten.
Es ist für die Zweitklassigkeit vieler der Top-Akteure in der europäischen politischen Arena charakteristisch, dass sie unendlich viel Energie in die mühselige Erstellung eines EU-Haushaltes auf der Grundlage einer teilweise bereits obsolet gewordenen Ansammlung anachronistischer Kompetenzen stecken. Anstatt in einem großen Wurf den Europäern eine gemeinsame Landesverteidigung zu geben, gegen die kein ernsthafter Mensch etwas einwenden könnte.
ortner@wienerzeitung.at