Der Frage, ob die Regierungsbeteiligung der FPÖ für das österreichische politische System von Vorteil war, ist für Ulram einfach zu beantworten. Seit 2000 sei eine Reihe heiliger Kühe geschlachtet worden.
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Das Gros der Opposition, der Mölzer-Stadler Freundeskreis und die sich seit Jahren empörende linke Intelligenz würden antworten: zu nichts. Die FPÖ-Ministerriege würde eine Reihe konkreter Punkte anführen - von der Familienpolitik über eine strikte Einwanderungspolitik bis zum Herausfallen hunderttausender Bezieher von Kleineinkommen aus der Steuerpflicht. Und manche werden fragen: Ja, aber was wurde aus den großen (von Haider in den neunziger Jahren vollmundig geforderten) grundlegenden Veränderungen der österreichischen Politik? Nur ein paar Blaue statt früher Roten und auch die mitunter nicht sonderlich qualifiziert?
Wozu war die Regierungsbeteiligung der FPÖ wirklich gut?
1. Sie hat eine Reihe struktureller Reformen ermöglicht bzw. weitergetrieben, die in einer anderen Regierungskonstellation nicht möglich waren oder nur viel zu gering ausgefallen wären.
Das Budget wurde saniert. Auch wenn das Null-Defizit nur kurzfristig war, so zählt Österreich heute doch zu den finanzpolitisch stabilen EU-Ländern und ohne die Sanierung wäre die große Steuerreform nicht oder nur mit einem Defizit in deutsch-französischer Größenordnung gekommen. Wobei gerade die Verringerung der Unternehmensbesteuerung den Wirtschaftsstandort Österreich deutlich attraktiver gemacht hat, ein wesentlicher Beitrag zur Beschäftigung im Land.
Die Fortführung der Privatisierung hat nicht nur die Wirtschaftsstruktur verbessert, sie hat auch - unabhängig von blaustichigen Managern - für die Zukunft die Spielräume für parteipolitische Postenbesetzung in der Wirtschaft prinzipiell stark verringert.
Eine Reihe "heiliger Kühe" wurde geschlachtet - man denke nur an die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie. Die Pensionsreform hat das österreichische Pensionssystem zumindest mittelfristig abgesichert und die (von anderen Ländern schon vor Jahren begonnene) Umstellung in die Wege geleitet. Und dabei auch (was früher undenkbar schien) eine schrittweise Angleichung der Beamten- und ASVG-Regelungen gebracht.
Dies war nur unter einer ÖVP-FPÖ Koalition möglich, auch wenn die FPÖ mitunter Angst vor der eigenen Courage bekommen und selbst an manchen dieser Maßnahmen herumgemäkelt hat. Denn zum einen waren die anderen Parteien nicht bereit, diese Linien mitzutragen (siehe die Koalitionsverhandlungen 2002) und zum anderen ist auch der sozialpopulistische Flügel der ÖVP im Zaum gehalten worden.
2. Schwarz-Blau hat gezeigt, dass man in Österreich in wesentlichen Punkten auch ohne und mitunter gegen die Sozialpartnerschaft regieren kann. Dies war umso wichtiger als die Sozialpartnerschaft - außerhalb der Arbeitsbeziehungen - zunehmend an Innovationskraft verloren und an Blockadementalität gewonnen hatte. Die Pensionsreform ist wohl das beste Beispiel dafür. Solange der ÖGB (und auch die Wirtschaftskammer) ein faktisches Veto-Recht hatte, solange war die Regierung in manchen Bereichen nicht eine solche, sondern eine Nebenregierung. Dies mag eines Tages auch anderen, etwa den Grünen, zugute kommen.
3. Ein Gutteil der Österreicher(innen) hatte in den neunziger Jahren den Eindruck, dass die österreichische Politik von einem unveränderlichen und zunehmend handlungsschwächeren SPÖ-ÖVP-Kartell bestimmt würde. Was im übrigen ein zentrales Motiv für die Wahlerfolge der Haider-FPÖ darstellte. Dies ist nun nicht mehr der Fall, politischer Wechsel hat stattgefunden und ist auch in Zukunft real möglich. Worauf auch die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie und der Eindruck des Politikversagens wieder abgenommen haben.
4. (Von der FPÖ so nicht geplant, aber das ändert nichts am positiven Resultat). Die FPÖ wurde "entzaubert", auf den harten Boden realer Politik zurückgeholt und wird für Fehler bestraft (wie andere Parteien auch). Eine wichtige Lehre für den Umgang mit Populisten jedweder Provenienz und auch eine Lehre für die FPÖ, wenn sie nur ein gewisses Maß an Lernbereitschaft aufbringen könnte.
In Summe also nicht das, was viele erhofft und befürchtet hatten. In Summe aber gar nicht so wenig für das Land. Dass die FPÖ dabei oft nur eine (wenngleich unverzichtbare) Nebenrolle gespielt und selbst wahlpolitisch davon nicht profitiert hat, ist eine andere Geschichte.
* Univ.-Doz. Dr. Peter A. Ulram ist Politologe und Meinungsforscher bei Fessel+GfK