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Wracks erzählen Geschichte

Von Roland Knauer

Wissen
Diese Wrackteile aus dem Großen Nordischen Krieg von 1715 wurden beim Bau der Nord-Stream-Pipeline geborgen
© © J.Koehler - Tel. 01785320598

Gesunkene Schiffe sind Zeugen für Handelsbeziehungen und Kriege.


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Berlin. "Da liegt vermutlich ein Motorblock im Sediment des Greifswalder Boddens, hatten uns die Kollegen vom Munitionsbergungsdienst gemeldet", erinnert sich Detlef Jantzen vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern. Taucher hatten einen verdächtigen Metallfund auf der für die Ostsee-Pipeline vorgesehenen Trasse in Augenschein genommen. Doch statt einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg fanden sie einen Haufen verrostetes Metall. Das aber gehört nicht in den Zuständigkeitsbereich von Munitionsspezialisten, sondern in die Hände von Archäologen und Denkmalschützern. Also schickte Landes-Archäologe Jantzen seine Spezialtaucher los, die keinen Motorblock entdeckten, sondern ein Schiffswrack, das vor mehr als 500 Jahren gesunken war.

"Das ist ein sehr seltener Fund", freut sich Detlef Jantzen. Das Schiff hatte eine Ladung Kupfer an Bord gehabt. Noch haben Archäologen nicht untersucht, aus welcher Region das Kupfer kam. "Sobald das geschehen ist, werden wir wohl auch mehr über die Handelsbeziehungen am Ende des 15. Jahrhunderts erfahren", vermutet Jantzen. Das Frachtschiff hatte auch noch Fässer mit Eisen an Bord. Im salzigen Ostseewasser war das Metall aber völlig verrostet und verklumpt. "Daher konnten wir noch nicht herausbekommen, ob Roheisen oder Eisenbarren transportiert wurden", erklärt Jantzen weiter.

Unter diesen Metallen fanden die Taucher die Reste des Schiffs: Ein neun Meter langer Teil des Kiels und etliche daran befestigte Spanten und Planken der linken Schiffsseite, sowie Reste der Innenverkleidung tauchten im Sediment der Ostsee auf. Diese Teile waren in fünf Jahrhunderten sehr verrottet, also konnte das Wrack nicht im Ganzen geborgen werden. Die Taucher zerlegten den Fund vorsichtig in Einzelteile, die dann an Land gebracht wurden. Archäologen haben das Holz bereits mit einem Laser gescannt und so ein dreidimensionales Bild jedes Teils ermittelt. Spezialisten für Baumringe ermittelten die Zeit um 1450 als Baujahr.

Wracks als Kriegswaffe

Erheblich jünger ist dagegen ein anderer Fund des Munitionsbergungsdienstes im Rahmen des Baus der Ostsee-Pipeline. Mit Metall-Detektoren hatten die Spezialisten im Grund ein großes Objekt gefunden, das leicht eine Bombe hätte sein können. Taucher legten das Ganze vorsichtig frei und fanden keineswegs einen Sprengkörper, sondern einen rund einen Meter hohen Ofen aus Gusseisen.

Mit dem Ofen hatten die Archäologen auch gleich die vermutliche Ursache der Schiffshavarie geborgen. Die Taucher fanden jedenfalls Kalk, den der Lastkahn geladen hatte, sowie Steinkohle zum Heizen des Ofens. Darunter lag ein 9,5 Meter langer Kiel mit Teilen der Spanten, Planken und Innenverkleidung der linken Schiffsseite, an denen Brandspuren zu sehen waren. Da liegt der Verdacht nahe, dass nach einem Fehler beim Befeuern des Ofens das Lastschiff in Flammen stand und am Ende des 18. oder am Anfang des 19. Jahrhunderts sank.

Ein anderes Relikt stammt aus dem Großen Nordischen Krieg zwischen Dänemark und Schweden. Am Anfang des 18. Jahrhunderts saßen die Schweden auf der Insel Rügen und in Vorpommern. In ihrer Verteidigungslinie klaffte eine Lücke außerhalb der Reichweite der Kanonen. Kurzerhand kauften die Schweden alte Lastkähne und versenkten sie dort im Jahr 1715 im rund vier Meter tiefen Wasser. "Diese Kette von Wracks hätte einlaufende dänische Kriegsschiffe leicht aufreißen können", erklärt Jantzen. Wirksam wurde der Unterwasserriegel trotzdem nicht, weil Fischer den Dänen eine Lücke verrieten, die Schweden für seine eigenen Kriegsschiffe offengehalten hatte. Beim Bau der Nord-Stream-Pipeline lagen die von Luftbildern aus den 1990er Jahren bekannten Wracks im Weg. Zumindest eines davon musste weichen. Also rückten wieder Taucher aus, zerlegten das Wrack, dem die Ostsee im Laufe der Zeit am meisten zugesetzt hatte, und brachten die Teile an Land. Wieder wartet ein archäologischer Fund auf weitere Untersuchungen.