Nach vergeblichen Recherchen bauschen enttäuschte Journalisten Petitessen zur Staatskrise auf.
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Schöner hätte 2012 für die Österreicher nicht beginnen können. Hier die Freuden über die Erfolge auf den Skipisten und den Sprungschanzen, dort die Meldung, dass sich endlich auch "die Piefkes" mit einem ins Zwielicht geratenen Spitzenpolitiker herumschlagen müssen.
Verständlich, dass die heimischen Medien ihren Lesern das bisserl Freude gönnten. Allerdings stellten sie damit Deutschlands Bundespräsidenten Christian Wulff zu Unrecht auf eine Stufe mit diversen Schwerenötern des Alpenlandes. Mit Ex-Finanzminister und Steuersünder Hannes Androsch etwa oder Ex-Innenminister Charlie Blecha (neun Monate bedingt wegen Beweisunterdrückung) und mit diversen Kollegen jüngerer Kabinettsgenerationen, für die der Staatsanwalt mehr anzubieten hat als bloß ein paar Monate bedingt.
Denn je dicker die Schlagzeilen, je lauter das Geschrei, desto deutlicher wird, dass sie nichts hergeben. Es ist ein wenig wie in der Causa Kurt Waldheim. Nach erfolglosen Recherchen werden Petitessen als schwere Verfehlungen angeprangert und wie in dieser wird die restliche Amtszeit davon belastet bleiben.
Zu dem, was die Recherchen brachten:
Erstens: Schon als Schüler zeigte sich jung Christian Wulff bei der Auswahl seiner Freunde und Freundinnen unkritisch. Er hätte wissen müssen, dass eine davon, die Edith, dereinst einen gewissen Egon Geerkens heiraten würde, einen erfolgreichen Unternehmer. Statt zu respektieren, dass solche Freundschaften nie der unkommentierte Umgang für einen Politiker sein kann, hat er die Freundschaft weiter gepflegt und sich von der zur Millionärin gewordenen Edith 500.000 Euro ausgeborgt, um seiner neuen Familie nach teurer Scheidung von der ersten Frau ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Zweitens: Bevor Wulff zum Staatspräsidenten aufstieg, hatte er als niedersächsischer Ministerpräsident mit Familie im Ferienhaus der Edith geurlaubt. Dass Wulff solcherart anderen urlaubenden Deutschen auswich, die gerne die Ferien der Prominenz durch allerlei Anfreundungen aufmischen, darf nicht gelten. Wenn man einem böse will, dann war es eben Geschenkannahme im Amt und Punkt.
Drittens: Um seiner Freundin Edith die 500.000 Euro, wie versprochen, zurückzugeben, bediente sich Wulff einer Bank, die mit VW im Geschäft ist. Was laut dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" stinkt, sitzt doch Wulff im Aufsichtsrat der Wolfsburger Autotüftler. Dass er als Landesvater dort zu sitzen hat und sich wohl kaum eine Bank in Deutschland finden würde, der man nicht Verbindungen zu VW nachsagen könnte, lässt "Der Spiegel" unerwähnt. Stattdessen stößt er sich an den tatsächlich günstigen Kreditbedingungen. Es sei ein VIP-Bonus. Als ob sich nicht schon jeder Minister, Abgeordnete, Bürgermeister aber auch Zeitungsverleger und Journalist mit ein bisschen Namen vor den Bankern aufgebläht hätte für ein paar Zehntelprozent an Zinsen weniger.
Viertens: Wulff, schon Bundespräsident, wurde gegenüber einem Springer-Journalisten, mit dem er seit Jahren vertrauensvoll kommuniziert, am Telefon grob. Worauf dieser einen Angriff auf die Pressefreiheit hinausschrie. Tatsächlich beweist das Tonband der Gesprächsaufzeichnung, dass Wulff eine Story über ihn nicht verhindern wollte, sondern nur darum bat, sie bis zu seiner Rückkehr von einem Staatsbesuch zu schieben.
Das trist dürftige Ergebnis der Recherchen hat inzwischen den deutschen Pressewald umso mehr veranlasst, von einem Bundespräsidenten zu singen, der als Intervenierer die Redaktionen nervt und sogar bedroht.
Mir persönlich ist Wulff aus einer Zeit bekannt, da er noch Oppositionsführer in Niedersachsen war. Eine Äquidistanz zu Journalisten hat er nie gepflegt. Fast alle Politiker verhalten sich so und riskieren damit, dass die Hofierten irgendwann unverschämt werden und abgewiesen mit der Meute der auf Distanz Gehaltenen einen Rachefeldzug beginnen.
Dass Wulff auf dem Anrufbeantworter im Springerhaus Verwünschungen hinterließ, muss ihm als dumm nachgetragen werden - und doch rettet gerade dies jetzt seinen Ruf, da schwerlich aufgebauscht werden kann, was auf Tonband dokumentiert ist. Dies ist keine Unterstellung, dass die Springer-Zeitungen so weit gegangen wären, nein, denn tatsächlich hatten sie die Stirn, es trotz Tonband zu versuchen.
"Bedrückt Sie als Journalisten nicht auch die Macht der Presse?" fragte mich vor Jahren Altkanzler Franz Vranitzky. Ich verneinte. Denn zu fürchten sind nicht ein paar Lohnschreiber sondern es ist die Macht einiger Tycoons, die über bereitwillige journalistische Helfer und Helfershelfer die Politiker nach Belieben erpressen. Und so gilt 67 Jahre nach dem Ende der Gewaltherrschaft der Nazis, dass die Springers, Bertelsmanns und Dichands mehr Macht im deutschen Sprachraum haben als dereinst Goebbels und seine gleichgeschalteten Medien im Reich des Schreckens.