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Favorit CDU-Kandidat Wulff blieb zwei Wahlgänge lang ohne absolute Mehrheit | Linke zog Kandidatin zurück | Berlin. In Deutschland hat die Bundesversammlung im dritten Wahlgang den Christdemokraten Christian Wulff zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Er tritt die Nachfolge Horst Köhlers an. Für die deutsche Regierungskoalition war die Wahl peinlich.
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Zwei Wahlgänge lang konnte der von SPD und Grünen nominierte Joachim Gauck mithalten, wofür zahlreiche abtrünnige Abgeordnete der Regierungsparteien sorgten. Im entscheidenden dritten Wahlgang zog die Linke ihre Bewerberin Luc Jochimsen zurück und gab die Abstimmung frei.
Obwohl das Gesetz für den dritten Wahlgang eine einfache Stimmenmehrheit vorsieht, schaffte Wulff im dritten Anlauf erstmals die absolute Mehrheit. Mit 625 Stimmen blieb er dennoch unter den 644 schwarz-gelben Sitzen.
Die Ergebnisse Wahlgang Wulff Gauck 1. Wahlgang6004992. Wahlgang6154903. Wahlgang625494
Zwei peinliche Wahlgänge
Im ersten Wahlgang ist Wulff erwartungsgemäß durchgefallen. Für den niedersächsischen Ministerpräsidenten stimmten nach Angaben von Bundestagspräsident Norbert Lammert am Mittwoch in der Bundesversammlung 600 Wahlmänner und -frauen. Für den rot-grünen Gegenkandidaten Joachim Gauck votierten 499 Wahlleute. Die Linken-Kandidatin Luc Jochimsen erhielt 126 Stimmen, der Bewerber der rechtsextremen NPD, Frank Rennicke, drei Stimmen.
Damit verpasste der CDU-Politiker Wulff die im ersten Wahlgang erforderliche absolute Mehrheit von 623 Stimmen, obwohl Union und FDP in der Bundesversammlung über 644 Wahlleute verfügen.
Im zweiten Wahlgang erhielt Wulff (CDU) 615 Stimmen, womit immer noch acht Stimmen fehlen.
Der von SPD und Grünen aufgestellte Joachim Gauck erhielt 490, die Linken-Kandidatin Luc Jochimsen 123 Stimmen. Auf den NPD-Bewerber Frank Rennicke entfielen drei Stimmen. Sieben Wahlleute enthielten sich.
Denkzettel für Merkel
Beobachter nannten die Abstimmungsniederlagen von Wulff eine Ohrfeige für die Koalitionsführung. Immerhin haben die Koalitionspartner es trotz der klaren Mehrheit von 21 Stimmen nicht geschafft, den Kandidaten durchzubringen.
44 der 644 Wahlfrauen und -männer aus dem Koalitionslager verweigerten "ihrem" Kandidaten Wulff im ersten Wahlgang die Stimme; im zweiten waren es immer noch knapp 30.
Hintergrund
Die Wahl eines neuen Bundespräsidenten war nach dem völlig überraschenden Rücktritt von Horst Köhler am 31. Mai notwendig geworden. Köhler, damals ebenfalls von CDU/CSU und FDP aufgestellt, war erst vor einem Jahr für eine zweite Amtszeit bis 2014 gewählt worden. Er hatte mit sofortiger Wirkung sein Amt niederlegt und dies mit der heftigen Kritik an seinen Interview-Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der deutschen Bundeswehr begründet.
(APA/Reuters/apn/AFP/dpa)