Deutsche Politiker appellieren an Ex-Präsidenten, freiwillig zu verzichten.
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Berlin. 84 Prozent der Deutschen wollen dem zurückgetretenen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff seinen sogenannten Ehrensold nicht gönnen. Dieses Ergebnis einer Infratest-dimap-Umfrage für die ARD unter 500 Befragten widerspricht allerdings der Entscheidung des Bundespräsidialamtes, das die Voraussetzungen für den Bezug von 199.000 Euro jährlich erfüllt sieht, weil der Rücktritt Wulffs aus politischen Gründen erfolgt sei.
Obwohl die Rechtslage, dass das Präsidialamt für die Entscheidung zuständig sei, laut Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" keineswegs eindeutig ist, will der Haushaltsausschuss des Bundestages der Anerkennung nicht widersprechen. Sogar wenn das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hannover zu einer Verurteilung Wulffs führen würde, könne ihm das lebenslange Ruhegeld nicht aberkannt werden, meinte der Ausschussvorsitzende Herbert Frankenhauser (CSU).
Umso lauter erschallen die Rufe, der Ex-Präsident möge auf die stattliche Apanage freiwillig verzichten. Der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin sagte, "es wäre am besten, Herr Wulff würde auf den Ehrensold verzichten oder das Geld an gemeinnützige Einrichtungen spenden. Damit würde er ein Stück seiner Glaubwürdigkeit zurückgewinnen." Das SPD-Vorstandsmitglied Heiko Maas meinte gleichfalls: "Wulff sollte den Ehrensold nicht annehmen. Damit könnte er endlich ein Signal der Einsicht und des Bedauerns senden."
Anzeige gegen Präsidialamt
Der Anti-Korruptionsverein "Cleanstate" plant hingegen strafrechtliche Schritte: Er will den Chef des Bundespräsidialamtes, Lothar Hagebölling wegen möglicher Untreue anzeigen, weil dieser ein Weggefährte Wulffs gewesen sei. Nachdem Wulff 2004 zum Ministerpräsidenten von Niedersachsen gewählt worden war, wurde Hagebölling Staatssekretär im Finanzministerium des Landes, 2006 dann Chef in dessen Staatskanzlei. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter forderte gleichfalls die Staatsanwaltschaft zu Ermittlungen in diese Richtung auf.
Auch für den Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim stellt sich die "Frage nach der Unbefangenheit" der Beamten. Er verwies zudem darauf, dass im Falle des Ablebens des heute 52-jährigen Wulff seine heute 39-jährige Witwe "60 Prozent des Ehrensoldes auf Lebenszeit erhalten" würde. Die Kosten könnten sich noch weiter erhöhen, wenn Wulff Büro, Chauffeur und Personenschutz verlangen würde - ob ihm das zusteht, wurde bisher allerdings nicht geprüft.
Kommentatoren erinnern den über Korruptionsverdachtsfälle gestolperten Wulff zudem daran, dass er knapp vor und nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten den lebenslangen Ehrensold für das Staatsoberhaupt prinzipiell in Frage gestellt hatte, im Sinne des Spargedankens.