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Wunder der Demokratie

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Hamas-Regierung Rückschlag für Bush. | Islamisten als einzige Opposition. | "Die eine Sache, die Bush gut hinbekommen hat", titelte das Magazin "Economist" unlängst, und eine Zeichnung darunter verdeutlichte, was gemeint ist: Aus Aladins Wunderlampe steigt Rauch, der die Worte "democracy" formt.


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Nicht alle Kommentatoren feiern das Konzept des US-Präsidenten, nur durch Demokratie könnten Frieden und Freiheit im Nahen Osten verwirklicht werden, ähnlich euphorisch. Gerade von konservativer Seite wird oft eingewendet, dass die Region für die Demokratie noch nicht reif sei. Und viele verweisen darauf, dass die "Volksherrschaft" aus mehr bestehe, als lediglich aus Wahlen. Sie müsse auch vorbereitet werden.

Zum Teil hat sich die Außenpolitik des Westens das Dilemma selbst geschaffen: Über Jahre hinweg wurden Regime unterstützt, die säkulare demokratische Bewegungen unterdrückten. Stark islamistisch geprägte Regierungen, wie in Afghanistan vor der Taliban-Machtergreifung oder im heutigen Saudi-Arabien, duldeten ebenso wenig Konkurrenz wie jene, für die Religion nur einen vagen Hintergrund bilden, wie Pakistan oder Ägypten. Übrig bleiben nun lediglich jene Gruppen als reale Kraft der Opposition, die als gemeinsamen Slogan den radikalen Weg propagieren: "Der Islam ist die Lösung."

Auch die Hamas marschierte unter diesem Motto zum Wahlsieg und stürzte den Westen in ein Dilemma: Wie soll man mit einer demokratisch gewählten Regierung umgehen, die gleichzeitig für Gewalt gegenüber dem Nachbarn plädiert? Dass mit dem Kappen der Finanzhilfen gedroht wird, kommt in der arabischen Welt nicht gut an. Ohnehin werden von der Bevölkerung der US-Politik andere Ziele als Demokratisierung unterstellt.

"Die EU hat darauf bestanden, dass in Palästina Wahlen stattfinden, und dies ist das Ergebnis ihrer Forderungen", meinte der saudische Außenminister nach der Wahl - wohl ein zarter Hinweis darauf, dass die rasche Einführung der Demokratie auch in seinem Land für den Westen missliebige Resultate hervorbringen würde - eine Einschätzung, die von Experten übrigens geteilt wird.

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak fürchtet ähnliche Gefahren für sein Regime - die Kommunalwahlen wurden diese Woche trotz US-Protestes gleich um zwei Jahre verschoben.

Einiges deutet darauf hin, dass die USA nun einen etwas vorsichtigeren Kurs steuern. Beispielsweise sprach Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei seinem Besuch in den Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien nicht von Demokratie, sondern vom Kampf gegen Terror. Trotz Defiziten sei man in diesen Ländern auf dem richtigen Weg, hieß es aus seinem Ministerium.

Die meisten Beobachter sind sich einig, dass die Demokratisierung des Nahen Ostens jedenfalls ein Langzeitprojekt ist - bis dahin müsse man mit Rückschlägen wie dem Hamas-Sieg rechnen. Aus Aladins Lampe sind keine raschen Wunder zu erwarten.