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Eine junge Bewegung ist in Thailand klarer Wahlsieger. Doch sie könnte von der Macht ferngehalten werden.
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Die Wahl in Thailand hat eines klar zum Ausdruck gebracht: dass es in weiten Teilen der Bevölkerung einen großen Wunsch nach Wandel gibt. Denn nach Auszählung von rund 97 Prozent der Stimmen lag die oppositionelle Partei "Vorwärts" mit rund 13,5 Millionen Stimmen vorne.
Angeführt wird diese vom 42-jährigen Pita Limjareonrat. Der Harvard-Absolvent, der seine Jugend in Neuseeland verbracht hat, ist zum Gesicht einer jungen Generation geworden, die das teils starre gesellschaftliche System, etwa im Bildungswesen nicht mehr akzeptiert und mehr Demokratie will. Dass sich die Stimmung im Land geändert hat, hat Pita schon während des Wahlkampfes gesagt. Aber, so fügte er gleich hinzu, gebe es eine kleine Gruppe, die viel zu verlieren habe. "Das ist das oberste Prozent, die Elite, das Militär, das große Geld." Und tatsächlich könnte das komplizierte thailändische Wahlsystem, das eben genau dieser Schicht erheblichen Einfluss gibt, noch verhindern, dass Pita die künftige Regierung anführt.
Senatoren entscheiden
Dass er den Anspruch erhebt, den aus dem Militär stammenden Regierungschef Prayut Chan-o-cha abzulösen, hat Pita schon klar benannt. "Ich bin bereit, Thailands 30. Premier zu werden", verkündete er.
Er hätte auch schon einen Koalitionspartner dafür: die von Paetongtarn Shinawatra, der Tochter von Ex-Premier Thaksin Shinawatra, angeführte Partei Pheu Thai. Die vor allem bei der ärmlichen Landbevölkerung populäre Bewegung erhielt mehr als zehn Millionen Stimmen, belegte den zweiten Platz und ist zu einer Zusammenarbeit mit Vorwärts bereit. Bis die Sitzverteilung im Parlament endgültig feststeht, wird es zwar noch ein paar Tage dauern, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass diese zwei Parteien gemeinsam um die 300 der 500 Mandatare und somit eine klare Mehrheit besitzen werden.
Allerdings: Es gibt noch den Senat. Er besteht aus 250 Mandataren, die vom Militär bestimmt werden, und die Stimme eines Senators zählt genau so viel wie die eines vom Volk gewählten Abgeordneten. Wer Premier werden will, braucht daher mindestens 376 Stimmen.
Wahlsieger Pita könnte nun versuchen, dass er im Parlament noch weitere Verbündete findet. Das dürfte aber schwierig werden, weil es sich großteils um sehr konservative Bewegungen handelt oder um Parteien, die dem Militär nahestehen, dessen Macht Pita beschränken will.
Politiker von Vorwärts und Pheu Thai haben nun aber die Senatoren eindringlich aufgefordert, den Willen des Volkes zu respektieren. Allerdings ist äußerst unsicher, ob diese sich um diese Aufforderung scheren werden.
Die Nachrichtenagentur Reuters hat am Montag mit mehreren Senatoren gesprochen und die Stimmung gegenüber Pita war eher zurückhaltend bis ablehnend. Ein Senator meinte, es ginge nicht nur um das Wahlergebnis, sondern auch darum, dass der neue Premier keine Probleme verursache. Ein anderer betonte, der nächste Premier "muss loyal gegenüber der Nation, der Religion und dem König sein".
Die Haltung Pitas zum Königshaus ist der größte Einwand, den seine Gegner gegen ihn äußern. Denn Vorwärts fordert - so offensiv, wie es noch nie eine politische Bewegung zuvor gewagt hatte - eine Überarbeitung der drakonischen Gesetze wegen Majestätsbeleidigung. Wer die Monarchie verleumdet, kann bis zu 15 Jahre ins Gefängnis gehen. Jedem Kritiker des Königshauses droht somit eine Anklage und laut Menschenrechtsorganisationen müssen sich seit den prodemokratischen Protesten, die 2020 über das Land schwappten, 250 Thailänder deshalb verantworten.
Themen bleiben
Für konservative Kräfte ist das Anrühren dieses Gesetzes ein Tabu. Deshalb könnte mit Hilfe der Senatoren der einstige General Prayut doch noch Premier bleiben, obwohl seine Partei mit 4,5 Millionen Stimmen nur an dritter Stelle in der Wählergunst lag.
Prayut hatte sich 2014 an die Macht geputscht und durch eine Verfassungsreform das heutige Wahlsystem eingeführt. Der Putsch folgte, nachdem die Gefolgsleute von Ex-Premier Thaksin die Wahl gewonnen hatten. Dieser war von 2001 bis 2006 an der Macht und mit Sozialprogrammen bei den Ärmeren beliebt geworden, wurde aber wegen Korruption verurteilt und lebt im nun im Exil. Die Anhänger Thaksins, die heute in Pheu Thai versammelt sind, haben auch nach seinem poltischen Abtritt jede Wahl gewonnen, wurden aber jedes Mal von den Gerichten oder dem Militär entmachtet.
Jetzt liegt erstmals eine Bewegung vorne, die diese Polarisierung aufbricht, die weit weniger populistisch ist als der Thaksin-Clan, aber auch mit den Privilegien des Militärs brechen will. Auch wenn Vorwärts von der Macht ferngehalten wird, bleiben die Anliegen und Themen dieser jungen Bewegung bestehen.