Der Bundespräsident bremst bei der Beschneidung seiner Kompetenzen. Ob das wirkt, ist offen.
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Wien. Konrad Adenauer wollte sich bekanntlich von niemandem verbieten lassen, über Nacht klüger zu werden. Auf diese Grundfreiheit beruft sich jetzt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Debatte um die Kompetenzen des Staatsoberhaupts, zumal der deutsche Nachkriegskanzler ihm schon einmal als argumentative Stütze diente: Skepsis aufgrund seines Alters, Van der Bellen ist 73, konterte er im Wahlkampf mit einem Verweis auf Adenauer, der auch erst mit 73 Jahren erstmalig Kanzler wurde und es blieb, bis er 87 war.
Diesmal hinkt die Analogie allerdings, von "über Nacht" kann nicht die Rede sein, nicht einmal von einem "von Tag zu Tag" (wie das Zitat mitunter auch wiedergegeben wird). Tatsächlich regte Van der Bellen selbst als Kandidat im Mai 2016 an, die weitreichenden, nach 1945 jedoch nie angewandten Befugnisse des Amtes - Entlassung der Regierung, Auflösung des Nationalrats - für das 21. Jahrhundert zu adaptieren. Die Parteien nahmen den Ball gerne auf: Am 31. März und 19. April tagt ein Unterausschuss, um womöglich bereits mit der Beschneidung des Amts Ernst zu machen. SPÖ, ÖVP und Grüne loten derzeit gemeinsame Schnittmengen aus, wobei es den Regierungsparteien um eine Stärkung der Exekutive, den Grünen um jene des Parlaments geht. Die Abgeordneten sollen künftig etwa bei Ernennung und Bestellung von Kanzler und Ministern das letzte Wort behalten.
Am Montag nun ging der Bundespräsident in die Gegenoffensive: In einer schriftlichen Stellungnahme verwehrt er sich gegen Schnellschüsse und plädiert für einen All-Parteien-Konsens in dieser heiklen Frage. Auch sollten die Äußerungen seines Vorgängers Heinz Fischer ernst genommen werden. Dieser hat sich wiederholt gegen eine Kompetenz-Beschneidung ausgesprochen. Entsprechend will Van der Bellen nun "das Pro & Contra von Kompetenzänderungen" sorgfältig diskutieren. Zwar gesteht der Bundespräsident dem Parlament das letzte Wort zu, "angesichts des Umstandes aber, dass hier über grundsätzliche Fragen der Gewaltenteilung (. . .) entschieden werden soll, würde ich es sehr begrüßen, wenn ein von allen im Parlament vertretenen Parteien getragener Konsens gefunden werden würde".
Albert Steinhauser, der Justizsprecher der Grünen, lässt sich von Van der Bellens Einwurf nicht beirren: Er nehme alles ernst, was der Bundespräsident sagt, aber ein Veto will er der FPÖ auf keinen Fall einräumen. "Ich will diese Debatte führen", so Steinhauser zur "Wiener Zeitung". Ob die Grünen auch gegen den Widerstand des Bundespräsidenten eine Reform beschließen? Steinhauser: Dieser habe sich "vorher eine Diskussion gewünscht" und jetzt nicht gesagt, dass es keine Diskussion geben soll. Klar sei, "dass wir uns anhören werden, was der Bundespräsident selbst will". Dass dies nur ein Wunsch sein könne, daran ließ der Parlamentarier aber keinen Zweifel.
Für die FPÖ erneuerte der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer die Ablehnung jeglicher Änderung am Status quo.