Bei der gesetzlich erlaubten Vorabuntersuchung von Embryonen gehen die Meinungen auseinander.
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Wien. Am 1. Dezember dieses Jahres endet die Begutachtungsfrist für das reformierte Fortpflanzungsgesetz. Mitte des Monats werden vor dem Gesundheitsausschuss noch etwaige Änderungen besprochen, ehe das Gesetz mit Ende des Jahres in Kraft treten soll. Und Änderungen wird es wohl geben. Zumindest zeichnen sie sich ab. Denn die neue Regelung, auf die sich Justizminister Wolfgang Brandstetter und Gesundheitssprecherin Sabine Oberhauser verständigt haben, ermöglicht unter anderem die Präimplantationsdiagnostik.
Diese erlaubt es, künstlich befruchtete Eizellen vor der Einpflanzung auf Erbkrankheiten, Fehlbildungen und Behinderungen zu untersuchen, mögliche Anomalien könnten dann von den Eltern abgelehnt werden. Der
Behindertensprecher der ÖVP, Franz-Joseph Huainigg, lehnt dies kategorisch ab und kündigte bereits an, gegen dieses Vorhaben zu stimmen. Er erkennt darin Unterscheidung zwischen "wertem und unwertem Leben", wie er im "Kurier" erklärte.
Ulrich Körtner, Vorstand des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin an der Universität Wien, sieht dies etwas differenzierter, da auch bei der Pränataldiagnostik in Österreich auf Fehlbildungen und Behinderungen untersucht wird, diese Untersuchungen sind zum internationalen Standard geworden. Hier wird aus den besagten Gründen ebenfalls abgetrieben, sagt Körtner. "Man kann nicht die eine Untersuchung verbieten und die andere erlauben."
"Ein vernünftiger Schritt"
Die Präimplantationsdiagnostik geht aber noch einen Schritt weiter, denn es kann auch das Geschlecht bestimmt werden, bevor die befruchtete Eizelle eingesetzt wird. Dies streift bereits die gesellschaftliche Diskussionen nach einem künstlich erstellten "Wunschkind". Körtner: "Das zusammengestellte Kind wird eine Utopie bleiben, da die Wechselwirkung der Gene viel zu komplex ist. Aussehen, Intelligenz und Begabung wird man nicht künstlich herstellen können", erläutert er.
Die Auswahl des Geschlechtes kann aber auch medizinische Gründe haben. So könnte man etwa die vererbte Bluterkrankheit damit verhindern, dass man das weibliche Geschlecht zuordnet. Denn Frauen können diese Krankheit nicht bekommen.
Im Parlamentsklub der ÖVP gibt es wegen der neuen Regelung Widerstand. Von der katholischen Kirche wird außerdem befürchtet, dass damit Kinder immer mehr zu einem Produkt der Fortpflanzungsindustrie werden. Zugespitzt ausgedrückt hätte man dann die Option, sich seine Nachkommen zu konstruieren.
Die Rechtsordnung sei das eine, die moralische Vorstellung der Menschen das andere. "Das muss man voneinander trennen", sagt Ulrich Körtner, der auch evangelischer Theologe ist. Er spricht sich für einen pluralistisch, säkularen Staat aus und damit gegen die Bevormundung der Kirche, "die jede Künstlichkeit in der Fortpflanzung ablehnt und auch Andersgläubigen ihre Sichtweise in der Gesetzgebung aufzwingen möchte."
"Gegen künstliche Anfertigung"
"Die Einführung der Präimplantationsdiagnostik ist mit unserem Gewissen unvereinbar. Hier werden Babys aussortiert und getötet", sagt Michael Prüller, Sprecher der Erzdiözese Wien. Das Gesetz ist nach Ansicht der Erzdiözese bereits zu stark gelockert worden und bewege sich in die falsche Richtung.
Auch den Passus, der Samenspenden für lesbische Paare und Eizellenspenden vorsieht, lehnt die Erzdiözese ab. "Wir von der Kirche sind gegen die künstliche Anfertigung von Kindern. Wenn die Natur eine Grenze setzt, sollte diese entsprechend berücksichtigt werden. Wir sprechen uns also gegen Samen- und Eizellenspenden aus. Das hat aber nichts mit der sexuellen Orientierung von Personen zu tun", erklärt Prüller.
Die Meinungen gehen auseinander. Das sogenannte "Wunschkind" braucht eine Definition. Künstlichkeit ist eine subjektive Ansicht. Für die einen beginnt sie bei der Zuordnung des Geschlechts, bei den anderen bei der Haarfarbe. Nächste Woche Freitag wird sich der ÖVP-Klub über das Gesetz beraten. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wird die Abstimmung zur Reform "vielleicht" freizugeben. Auch für ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopdaka wäre das vorstellbar. Die Gesetzesvorlage sieht neben der Präimplantationsdiagnostik auch Samenspenden für lesbische Paare und Eizellenspenden vor.