Südtiroler Volkspartei zerrissen zwischen Italiens Rechten und Linken. | "Wiener Zeitung":Die jetzt in Rom beschlossene Verfassungsreform hat Regionen ohne Sonderstatut gestärkt. Ist diese Aufwertung indirekt eine Schwächung Südtirols?
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Luis Durnwalder: Nein, für Südtirol hat die Reform sogar etwas Positives: In Zukunft kann das Autonomiestatut nur abgeändert werden, wenn auch die betreffenden Landtage einverstanden sind. Sonst ist bei der Reform aber nicht das herausgekommen, was wir uns vorgestellt hätten.
Was wäre das gewesen?
Dass die normalen Regionen all das bekommen, was die Bundesländer von Österreich haben. Diese Reform ist aber keine, bei der man sagen könnte: "Da ist etwas Grundsätzliches gemacht worden." Sie ist eigentlich als Zugeständnis an die Lega Nord zustande gekommen. In diesem Sinn bin ich also etwas enttäuscht.
Mit dem Passus der "nationalen Interessen" kann Rom Landesgesetze annullieren. Wie gefährlich ist dieser Punkt für Südtirol ?
Das ist ein Punkt der schon bisher herumgegeistert ist, aber nie angewendet wurde. Jetzt ist er noch so verschärft worden, dass man unsere Autonomie aushöhlen könnte. Wenn die Regierung findet, das etwas gegen das nationale Interesse ist, könnte die betreffende Sache vors Parlament gebracht werden. Dort wäre es wegen der vielen nationalistischen Kräfte für Südtirol schwierig, zu bestehen.
Berlusconi war bei seinem letzten Besuch offenbar auf Provokationkurs, Proteste gegen die Annexion Südtirols durch Italien werden behindert. Sind die Rechte Südtirols in Gefahr?
Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es trotz der Autonomie-Klausel nicht. Wir sind eben eine österreichische Minderheit mit 350.000 Einwohnern, die in einem Staat mit 57 Millionen Einwohnern leben. Diejenigen, die alles gleichscheren wollen, sind immer in der Mehrheit. Wir haben zwar auf dem Papier die Zwei-, bzw. in den ladinischen Tälern die Dreisprachigkeit, aber es besteht immer die Gefahr einer Missachtung. Dann muss man wieder einmal vorstellig werden. Trotzdem denke ich, dass wir mit dem jetzigen Zustand zufrieden sein können.
Wie steht es um die Südtiroler Volkspartei im italienischen Verband? Die wird ja mittlerweile dem linken Lager zugerechnet.
Ja, und da müssen wir vorsichtig sein. Die SVP muss eine Partei der Mitte bleiben und darf sich keinem der Blöcke unterordnen. Irgendwann sind wir aber doch gezwungen Stellung zu beziehen, weil einer der Blöcke die Regierung ja auch übernimmt. Solange die extremsten Gegner unserer Autonomie, wie Alleanza Nazionale und Unitalia, Teil des Mitte-Rechts-Blocks sind, können wir mit dem nichts anfangen. Und das obwohl dort mit den Christdemokraten oder Forza Italia Parteien mit dabei sind, mit denen wir sehr wohl gut können.
Und mit der Linken?
Bei Mitte-Links haben wir andererseits lauter Parteien drinnen, die für die Autonomie gestimmt haben und die uns sehr positiv gesinnt sind. Daher haben wir zur Zeit mehr Vertrauen in diese Gruppierung.
Die Europaregion Tirol/Südtirol/Trentino gilt als europäisches Vorbild. Wie sehen Sie diesen Umstand im Spiegel italienisch-nationalistischer Tendenzen?
Diese Initiative wird von Rom nicht unbedingt gefördert. Italien hat das Madrider Abkommen noch nicht ratifiziert. Das sieht ja vor, dass in Grenzregionen Körperschaften gebildet werden können, die grenzüberschreitende Beschlüsse fassen. Ich habe diese grenzüberschreitende Idee stark betrieben und bin dann in Rom wegen subversiver Tätigkeit angefeindet worden. Auch heute ist es noch so, dass man diese Bündnisse nicht gerne sieht, aber mittlerweile begriffen hat, dass man sie nicht verhindern kann.