Schon lange warnen Experten vor den Gefahren allzu großer Reinlichkeit. Manche Ärzte vermuten sogar einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme von Autoimmunerkrankungen wie Allergien und einer übertriebenen Hygiene sowie dem bewussten Vermeiden der natürlichen Umgebung mit ihrer Vielfalt von Organismen. Dem immer aktiven Abwehrsystem des Menschen mangele es damit an "natürlichen Feinden". So richte es seine Energien letztlich gegen den eigenen Körper.
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Lange schon vermuteten die Professoren Joel Weinstock, Robert Summers und David Elliot von der Universitätsklinik Iowa, dass sich auf diese Weise auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa entwickeln. Sie beobachteten, dass diese Krankheiten vor allem in Regionen mit hohem hygienischen Standard vorkommen, vor allem in Nordamerika und in Europa. In Ländern, wo die Menschen mit Staub und Schmutz, damit auch mit Parasiten in Kontakt kommen, sind diese Entzündungskrankheiten eher rar.
In erfolgreichen Untersuchungen haben die Wissenschaftler im letzten Jahr gezeigt, dass die Verabreichung von Eiern des Schweine-Peitschenwurms chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) lindert. Die Wahl fiel auf diesen Parasiten, weil seine Eier im Menschen nur kurze Zeit überleben und auch keine Symptome wie Bauchschmerzen verursachen. Für die Behandlung werden die Eier sterilisiert, aber nicht abgetötet, und in einer Suspension aufgeschwemmt. Nach dem Schlucken setzen sie sich im Zwölffingerdarm ab wo sie etwa zwei Wochen überleben. Dabei, so die bisherige Vermutung, regulieren die Parasiten-Eier das entzündungshemmende TH-2-Zellsystem in die Höhe. Die für Darmentzündungen typische überschießende Abwehrreaktion werde dadurch ausgeglichen. Inzwischen hat das Unternehmen Ovamed in Barsbüttel bei Hamburg die Lizenz zur Herstellung und Vermarktung des Eier-Cocktails erworben. Gemeinsam mit der Dr. Falk Pharma Freiburg entwickelt die Firma eine länger haltbare Emulsion und bereitet eine internationale Studie vor.
"Wahrscheinlich wird die Studie im kommenden Jahr beginnen", sagt Dr. Carsten Schmidt, Oberarzt am Universitätsklinikum Homburg. Dort wird sich die Klinik für Innere Medizin II an der Studie beteiligen, weil die bisherigen Resultate überzeugten. "Besonders im Hinblick auf die Behandlung von Morbus Crohn scheinen die Hoffnungen berechtigt zu sein. In einer Untersuchung mit 30 Patienten sprachen 80 Prozent auf die Therapie an, bei 73 Prozent verringerten sich die Beschwerden deutlich."
Gegen Osteoporosegefahr
Wichtig: Bei CED kommt es oft zu einem Mangel an Vitaminen und Kalzium, weshalb mit entsprechende Präparate substituiert werden muss.