Die Sprachbarriere zwischen Deutschen und Österreichern bleibt unüberwindlich. Ein unfreiwilliger Selbstversuch.
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Als Deutschland im Herbst die erste Reisewarnung verhängte, damals für Wien, witzelte ein sehr geschätzter Chefredakteur auf Twitter, woran die deutschen Grenzer eigentlich einen Wiener erkennen würden - etwa am Schnitzel in der Brieftasche? Die Lage war ernst, und mir war nicht nach Blödeln zumute. So verkniff ich mir den Konter, dass wir keine Sprachtests an der Grenze machen.
Daran musste ich denken, als ich - noch vor dem zweiten Lockdown - mit einer Freundin in die Premiere des "Herrn Karl" im Rabenhoftheater im 3. Wiener Gemeindebezirk ging. Der "Herr Karl", so viel wusste ich, ist Helmut Qualtingers legendärer Durchschnittswiener aus den 1960er Jahren. Würde ich meinerseits den Sprachtest bestehen, einem gut einstündigen wienerischen Monolog zu folgen?
Auf dem Weg ins Theater hatte ich wenig Zeit, aber Hunger. Kurzentschlossen lehnte ich mein Rad am Schwarzenbergplatz an eine Mauer, um mich am Würstelstand zu stärken. Ich wählte die erste Wurst auf der langen Karte: Käsekrainer.
Der Mann hinter dem Tresen antwortete mit einer Gegenfrage, die ich nur in Umrissen verstand. Sie endete sinngemäß auf "Art des Hauses". Das ist vielleicht ein großes Wort für eine Würstchenbude. Aber da ich nichts anderes verstanden hatte, bejahte ich. Die Diskussion ums "Wie bitte?" wollte ich mir ersparen.
Doch so leicht kam ich nicht davon, denn die nächste Frage rollte unerbittlich heran:
"Gebäck?"
"Ja."
"A Scherzl?"
"Wie bitte?"
"Na, a Scherzl."
"Was ist das?"
Den Würstelmann begann die Sache zu amüsieren. Er zeigte mir verschiedene Brotstücke und fing an, mit neuen Begriffen zu jonglieren, die er mit Gebärdensprache untermalte.
Jeder kennt das aus dem Urlaub in einem fremden Land. Man legt sich die richtigen Worte für die Bestellung zurecht, aber bei der ersten Gegenfrage stürzt das Kartenhaus ein. Dass das einem Deutschen nach einem guten Jahr in Wien passiert, belegt die einfache Wahrheit: Die Sprachbarriere mag niedrig sein, sie bleibt aber unüberwindlich.
Die "Art des Hauses" ist übrigens mit Zwiebeln, was gut schmeckte. Der Würstelmann verabschiedete mich schließlich mit einem aufmunternden "Tschüss". Im Theater fragte mich dann die orts- und sprachkundige Freundin, ob ich den Monolog des großartigen Andreas Vitásek verstehe, sonst könne sie gerne übersetzen. Ich nickte nur und dachte: Geht schon, solange ich nicht antworten muss.