Enttäuschte sprechen von "Verrat". | Ternopil. "A dä Tymoschänko? - Und wo ist Timoschenko?" Jaroslaw Chornozub hält es nicht in seinem Büro in der Innenstadt des gemütlichen westukrainischen Städtchens Ternopil. Spätnachts noch muss der Mann um die vierzig, der im letzten Wahlkampf für die Partei von Präsident Wiktor Juschtschenko gearbeitet hat, auf die Straße. Der Amerika-Fan, der seltsamerweise ein neongelbes T-Shirt mit dem Konterfei des Revoluzzers Che Guevara trägt, spricht ausnahmslos alle Passanten an: "Und wo ist Timoschenko?" Uninformierte werden rasch aufgeklärt: In Moskau - dort sei sie dabei, die Ukraine zu verraten.
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Die Möglichkeit, in Ternopil auf Wähler der charismatischen Julia zu stoßen, ist groß: 53 Prozent der Wahlberechtigten stimmten bei den letzten Parlamentswahlen in der Stadt, in der Präsident Juschtschenko studierte, für Bjut, den Block Julia Timoschenko. Die Liste des Präsidenten, Unsere Ukraine, folgte mit 27 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei. Juschtschenkos Kontrahent aus den Tagen der orangen Revolution, Wiktor Janukowitsch, kommt hier nur auf magere 2,7 Prozent. Glaubt man den Umfragen, kam Timoschenko in Ternopil noch vor kurzem auf eine Zustimmung von 70 Prozent.
Die scheint nach dem pro-russischen Schwenk der Politikerin in der Westukraine zu schmelzen: Die Zustimmung zum Bjut sei auf unter 50 Prozent gesunken, meint der umtriebige Journalist Wolodymyr Hanas. Er eilt seit dem Georgien-Krieg von Veranstaltung zu Veranstaltung, organisiert "Aktionen" und Treffen mit Gleichgesinnten. Regionale Medien schreien die Botschaft hinaus: "Heute - Georgien, morgen - wir." Untereinander spricht man hier ukrainisch - es sei denn, Hanas rezitiert wieder einmal Gedichte Puschkins vor dessen Denkmal unter dem Motto "Puschkin gegen Putin". Ob die Botschaft ankommt, ist eine andere Frage: "Politikmüde" seien die Menschen, meinen zwei Studentinnen. Nachdem die Orange Revolution keine Verbesserungen brachte, würden sich vor allem Junge abwenden: "Fragt man die Leute, wen sie unterstützen, kommt nur: Niemand."