Von den erfolgreichen VP-Landesparteien lernen: Das empfiehlt Innenminister Ernst Strasser seiner jüngst nicht von Erfolg verwöhnten Partei im "Wiener Zeitung"-Interview. Für nicht-nachahmenswert hält er dagegen sein Veto im Ministerrat, mit dem er den Bau des Semmering-Tunnels verhinderte.
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"Wiener Zeitung": In der ÖVP macht sich nach der jüngsten Serie von Wahlniederlagen Unruhe unter den Funktionären breit. Was muss sich in der Partei ändern, um wieder erfolgreich zu sein?
Ernst Strasser: Die erfolgreichen Landesparteien haben viele Strategien entwickelt, die zu diesem Ziel führen. Das betrifft vor allem die unzähligen Kontakte mit Bürgern und Bürgermeistern, mit den Vereinen und Verbänden. Der entscheidende Punkt ist, dass wir diese Strategien auch auf die Bundespartei übertragen.
"Wiener Zeitung": Auch Ihnen wird ja von der Opposition der Vorwurf gemacht, bei Veränderungen nicht genügend auf die Interessen der Betroffenen einzugehen.
Strasser: Ich bin in jedem Halbjahr neun Halbtage, also insgesamt 18 Tage im Jahr, in den Bundesländern unterwegs und höre mir die Sorgen von Bürgern und Verantwortlichen an. Das gilt auch für die Vorbereitung der derzeit laufenden Exekutivreform und der damit verbundenen Zusammenlegung von Gendarmerie und Polizei. Dabei geht es übrigens nicht nur um eine kommunikative Arbeit, sondern es kommen bei diesen Gesprächen auch zahlreiche gute Anregungen für Verbesserungen.
"Wiener Zeitung": Trotzdem wirft Ihnen die Gewerkschaft bei der Exekutivreform vor, über den Willen der Betroffenen 'drüberzufahren'.
Strasser: Die Zustimmung von 62 Prozent der Betroffenen belegt das Gegenteil. Außerdem bestreite ich zutiefst, dass es SPÖ-Gewerkschaftern zuvorderst um die Interessen der von ihnen Vertretenen geht. Deshalb sind sie auch bestenfalls gegen, aber nie für etwas. Vielleicht ist die SPÖ auch aus diesem Grund noch immer in Opposition.
"Wiener Zeitung": Auch Wiens Bürgermeister Häupl kritisiert Sie scharf: In der "Wiener Zeitung" meinte er vor kurzem, die Umsetzung der Idee des Grätzelpolizisten sei vor allem eine Medieninszenierung.
Strasser: Ich lade Häupl gerne ein, sich gemeinsam mit mir die Arbeit der Grätzelpolizisten in Wien anzuschauen.
"Wiener Zeitung": Sie selbst haben vorgezeigt, wie sich Regierungsentscheidungen, die man für falsch hält, verhindern ließen: In der Frage des Semmering-Basistunnels haben Sie im Ministerrat das Projekt einfach per Veto zu Fall gebracht. Warum haben Sie in der Vergangenheit nicht öfters zu diesem Mittel gegriffen?
Strasser: Das Veto war eine absolute Ausnahme und sollte auf keinen Fall Bestandteil normaler Politik sein. Der letzte, der das vor mir getan hat, war Finanzminister Androsch in den 70er Jahren, als es um den Zigarettenpreis ging.
"Wiener Zeitung": Ist Österreich durch die EU-Erweiterung sicherer oder unsicherer geworden?
Strasser: Sicherer. Durch sie ist ein zweiter Sicherheitsgürtel mit einer EU-Außengrenze entstanden. Die neuen Mitglieder sind jetzt verpflichtet, ihre Grenzen nach EU-Standards zu sichern. Aber natürlich gibt es auch eine Bedrohung durch Kriminelle, die von außerhalb der EU kommen. Insgesamt aber steigt bereits seit einiger Zeit die Aufklärungsquote und der Anstieg bei den Delikten flacht ab. Ich möchte zwar noch nicht von einer Trendwende sprechen, aber wir sind auf dem richtigen Weg.
"Wiener Zeitung": Kritik an der Regierung gibt es auch im Zusammenhang mit der am Montag im EU-Außenministerrat beschlossenen Übermittlung europäischer Flugpassagierdaten an die USA. Die SPÖ behauptet, dass dadurch österreichische Datenschutzrichtlinien verletzt werden.
Strasser: Das ist selbstverständlich nicht der Fall. Auch hat, anders etwa als im rot-grün regierten Deutschland, die AUA bisher keine Daten übermittelt. Österreich ist das einzige Land in der EU, wo es im Zusammenhang mit dem "Krieg gegen den Terror" keine Einschränkung der Grundrechte gibt.
"Wiener Zeitung": Österreich ist nun - bis auf die Schweiz - umringt von EU-Staaten, die Kooperation in Sicherheitsfragen wird immer intensiver, auch an einer europäischen Armee wird eifrig gebastelt. Braucht Österreich auch in 10, 15 Jahren noch ein eigenes Verteidigungsministerium?
Strasser: Wir brauchen das Bundesheer genauso für Assistenz- und Katastropheneinsätze wie für internationale Aufgaben.
"Wiener Zeitung": Würde da nicht auch ein Staatssekretär für Landesverteidigung im Innenministerium reichen?
Strasser: Das wäre nicht nur von der Sache, sondern auch politisch völlig verfehlt. In allen demokratischen Staaten hat sich die Trennung von innerer Sicherheit und Militär bewährt.
"Wiener Zeitung": Wann wird es endlich zu einer Einigung über die Pensionsharmonisierung kommen?
Strasser: Der liebe Gott hat für die Erschaffung der Welt auch sieben Tage und nicht eine Stunde gebraucht. Wenn man eine gute Lösung will, dann sollte man sich auch die dafür nötige Zeit nehmen.
Das Gespräch führte Walter Hämmerle