Zum Hauptinhalt springen

Xanana Gusmao klarer Favorit

Von Frank Brandmaier

Politik

Dili - Wenn Osttimor kommenden Sonntag zum ersten Mal frei über seinen Präsidenten bestimmt, erwartet niemand Überraschungen. Zu sehr wurde der Kampf um einen eigenen Staat von einem Mann geprägt: dem Unabhängigkeitsführer Jose Alexandre "Xanana" Gusmao. Zwar tritt mit dem Sozialdemokraten Francisco Xavier do Amaral auch ein Gegenkandidat an. Doch die Osttimoresen wissen viel zu gut, dass nur der überall respektierte Gusmao dem bettelarmen Land international ein glaubwürdiges Gesicht geben kann.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 22 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Xanana ist ein großer revolutionärer Kämpfer", sagt Bischof Carlos Filipe Ximenes Belo, der 1996 gemeinsam mit Jose Ramos-Horta den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz um die Unabhängigkeit des ein Vierteljahrhundert von Indonesien besetzten ehemaligen portugiesischen Territoriums erhielt. "Für die Weltgemeinschaft ist er der Einzige mit einer Reputation." Was umso entscheidender ist, als dass die Inselhälfte vorerst am Tropf der Auslandshilfe hängen wird.

Zweieinhalb Jahre erst ist es her, dass Handlanger Indonesiens die lang ersehnte Freiheit mit Terror zu ersticken suchten. Etwa 1000 Menschen starben dabei. Noch bei den ersten Parlamentswahlen Ende August 2001 war kein Straßenzug ohne rauchschwarze Fassade, rußige Fensterhöhlen und geborstene Einfahrtstore: Stumme Zeugen des Horrors durch pro-indonesische Milizen, nachdem sich am 30. August 1999 die übergroße Mehrheit der Menschen in einem von den Vereinten Nationen organisierten Referendum für die staatliche Eigenständigkeit nach 24 Jahren Besatzung optiert hatte.

Das tagelange Morden nahm erst ein Ende, nachdem eine von Australien geführte internationale Eingreiftruppe einrückte. Was die mit dem Aufbau einer Übergangsregierung betrauten Vereinten Nationen vorfanden, war nichts als Zerstörung, Leid und eine gigantische Aufgabe. "Wir können hier eigentlich nicht von Wiederaufbau sprechen, weil nichts wieder aufzubauen gab", befand einmal der Chef der UNO-Verwaltung für Osttimor (UNTAET), Sergio Vieira de Mello. Rund 584 Millionen US-Dollar (636 Millionen Euro) ließen sich die Vereinten Nationen ihre Arbeit allein im vorigen Jahr kosten - Geld, dass den wirtschaftlich todkranken Patienten künstlich am Leben hält.

Der charismatische Gusmao, den seine Anhänger wegen seiner jahrelangen Haft in indonesischen Gefängnissen auch den "Nelson Mandela Asiens" nennen, riss sich nicht eben um den schwierigen Präsidenten-Posten. Erst im allerletzten Moment gab er überhaupt seine Kandidatur bekannt. Vor wenigen Tagen erklärte er bei einer Wahlkundgebung in der osttimoresischen Hauptstadt Dili: "Ich werde nicht versuchen, Macht an mich zu reißen. Aber ich beobachte jeden Schritt und greife nur dann ein, wenn Freiheiten beschnitten werden." Einmal gewählt, kann er als Staatsoberhaupt immerhin das Parlament auflösen.

Auch wenn Osttimor nach 400 Jahren portugiesischer Kolonialherrschaft und fast einem Vierteljahrhundert brutaler Unterdrückung durch Jakarta am 20. Mai schließlich die volle staatliche Eigenständigkeit erlangt, werden die Vereinten Nationen dem jüngsten Staat der Welt noch eine Weile zur Seite stehen. UNTAET-Chef de Mello steht im Wort. "Wir lassen niemanden hängen", versichert er.