Zum Hauptinhalt springen

Xi Jinping als Retter des globalen Kapitalismus

Von Thomas Seifert aus Davos

Politik

Beim World Economic Forum in Davos werben Chinas Kommunisten für Freihandel und Globalisierung.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Davos. Man weiß, die Welt ist aus den Fugen, wenn der Generalsekretär der chinesischen Kommunistischen Partei beim World Economic Forum in Davos jenes Evangelium von Globalisierung und Freihandel predigt, das man am Zauberberg (Thomas Manns gleichnamiger Roman spielt in Davos), der spirituellen Heimat des Kapitalismus, gerne hört: Globalisierung. Freihandel. World Economic Forum (WEF)-Gründer Klaus Schwab hatte Xi erwartungsvoll angekündigt: "In einer Welt großer Unwägbarkeiten und Volatilität blickt die Welt auf China." Der chinesische Staatspräsident hat Schwab dann wahrlich nicht enttäuscht: Er warnte vor Protektionismus und vor den Folgen eines Handelskrieges.

Protektionismus, das sei, als ob man sich zum Schutz vor der Außenwelt in eine "finstere Kammer" einschließe, in die dann aber kein Licht und keine Frischluft dringen können. Die Globalisierung dürfe man nicht abschreiben, sondern man müsse ihre Folgen abfedern. Die Globalisierung sei für viele zu einer "Pandora’s Box" geworden, aber sie sei nicht das Problem, in der die Welt derzeit stecke. Die internationale Finanzkrise sei auf exzessives Profitstreben und nicht auf die Globalisierung zurückzuführen, sagte Xi.

Xi Jinping ist der erste chinesische Staatspräsident, der zum jährlichen Treffen der Wirtschafts- und Finanzeliten in den ostschweizer Bergen fährt. Was WEF-Gründer Schwab als Zeichen dafür sieht, dass sich die Weltordnung von der Epoche der Dominanz durch die Vereinigten Staaten verabschiedet und sich zu einem multipolaren System weiterentwickelt, in dem aufsteigende Mächte wie China eine größere Rolle spielen.

Donald Trump, der am Freitag als 45. US-Präsident angelobt wird, kam in der Rede von Xi Jinping übrigens mit keinem Wort vor, es war aber allen im Auditorium klar, an welche Adresse sich die Worte des chinesischen Präsidenten richten. Schließlich hatte Trump China stets für die Jobverluste in den USA verantwortlich gemacht und mit höheren Importzöllen für Waren aus China gedroht. "In einem Handelskrieg gibt es keine Gewinner", warnte Xi in seiner einstündigen Rede.

"Gleichheit in den Handelsvereinbarungen"

Anthony Scaramucci, ein Mitglied aus dem Trump-Übergangsteam, sagte bei einem auf Xi Jinpings Rede folgenden Gespräch: "Wir wollen keine Handelskriege, sondern Gleichheit in den Handelsvereinbarungen." Scaramucci gibt "asymmetrischen Verträgen" die Schuld an der Deindustrialisierung von weiten Teilen der USA. Scaramucci scheint, das wurde bei seinen Ausführungen klar, ein ähnliches Verhältnis zu Superlativen zu pflegen, wie Donald Trump: "Wir wollen phänomenale Beziehungen zu China haben", sagte Scaramucci, "aber wenn sie an die Globalisierung glauben, dann sollten sie uns die Hand hinstrecken und symmetrische Vereinbarungen zulassen."

Scaramucci war bemüht, die Irritationen, für die Donald Trump in den vergangenen Tagen gesorgt hatte, zu beseitigen. Er sprach davon, dass Trump "tolle Beziehungen" zur deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) anstrebt, das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den Europäern werde "stärker denn je" sein. Trump hatte ja vor einigen Tagen in einem Interview mit dem deutschen Boulevardblatt "Bild" Kritik an Angela Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik geübt. Scaramucci ruderte auch zurück, was Trumps Aussagen über die Nato betrifft, die der designierte US-Präsident als "obsolet" bezeichnet hatte. Trump-Berater Scaramucci: Trump habe im Sinn, dass die Strukturen, Allianzen und Verträge sich am 21. Jahrhundert orientieren müssten und nicht an der Vergangenheit. Er warb außerdem dafür, die Worte des designierten US-Präsidenten nicht auf die Goldwaage zu legen: Trumps Äußerungen seien eben "authentisch": "Sie sollten das erfrischend und nicht alarmierend finden."

Der Hedgefund-Banker richtete seinem Publikum im Kongresszentrum aus: "Trump fühlt - im Gegensatz zu den Eliten - den Puls der Arbeiterklasse." Mit den Eliten waren wohl die meisten der Zuhörer gemeint: Schließlich ist Davos das Hochamt der kosmopolitischen, globalisierten oberen Zehntausend. Sie durften sich von Scaramucci durchaus angegriffen fühlen.

Und während diese Eliten nun nervös darauf warten, ob Trump seine Wahlversprechen von einer Abschottung der USA wahrmacht, öffnet China seinen Finanzsektor und wichtige Teile der Maschinenbauindustrie für internationale Investments.

Mit dem Auftritt Xi Jinpings in Davos wird klar, dass China das Vakuum, das durch die Schwäche der Europäischen Union und die angekündigte Abwendung von Trumps Amerika von der Welt nutzen will. China hat heuer eine Reihe von Regierungsvertretern nach Davos geschickt, gleich vier Podiumsdiskussionen widmen sich dem asiatischen Kontinent. Eine davon ist im Programm mit dem Titel "Asien übernimmt die Führung" angekündigt.