Mokka in Wien gilt als ungenießbar. Ein bosnischer Verein verspricht Abhilfe und bringt am Samstag die größte Mokka-Kanne der Welt ins Museumsquartier.
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Wien. "Dünn, bitter, verbrannt, keine Crema, kein Körper, eine Brühe", lautete vergangene Woche die traurige Abrechnung zu Wiens Mokka-Kultur in der Wochenzeitung "Falter".
Ab Samstag soll sich das ändern. Wien bekommt Kaffee-Schützenhilfe aus Bosnien. Am 15. November wird die größte Mokka-Kanne der Welt im Museumsquartier vorgestellt. 1,25 Meter pures Messing und 650 Liter Fassungsvermögen verschafften der Riesenkanne 2004 einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. 8000 Mokkatassen lassen sich mit einem Aufguss aus der Riesenkanne füllen. Der bosnische Verein "Srebrenica-Wien" bringt sie nach Wien. Zwischen 11 und 15 Uhr will man den Wienern bosnischen Kahva aus Messingbechern kredenzen. Die Einnahmen dienen dem Erwerb von Medikamenten für Kinder in Bosnien, die an Epilepsie erkrankt sind.
Nur ein Freund lädt zum schwarzen Trank
Eigentlich ist die Aufgabe der Initiatoren der Kaffee-Veranstaltung, auf den Massenmord in der bosnischen Stadt Srebrenica aufmerksam zu machen. "Da unser Verein den Namen Srebrenica in sich trägt, assoziieren die Leute damit den Genozid, der 1995 passiert ist. Wir wollen aus dem Klischee ausbrechen und einen zusätzlichen Gedenktag zum 11. Juli mit der Kaffee-Aktion initiieren. Damit wollen wir ein Zeichen setzen, dass Srebrenica und Bosnien weitaus mehr zu bieten hat als Krieg und Genozid", erklärt Fahra Hajdarevic, die Obfrau des Vereins. Die Komplexität des Krieges in Bosnien und Herzegowina ist mindestens genauso schwerwiegend wie die Auswirkungen, die bis heute spürbar sind. Das Verzeichnis der Gedenkstätte in Srebrenica enthält 8372 Namen und jährlich kommen neue dazu. Wien, als neutraler Boden, würde den Menschen eine Möglichkeit bieten, Vorurteile abzubauen und aufeinander zuzugehen. "Wir laden die Leute zum Kaffee ein, als ein Symbol der Freundschaft und als eine friedliche Botschaft, dass wir uns annähern, um gemeinsam in dieser wunderbaren Stadt zu leben", erklärt Hajdarevic.
In Bosnien wird Kaffee oder Kahva ausgeschenkt, egal ob man ihn trinkt oder nicht. Das Wort Kahva, bei dem das H ausgesprochen wird, lässt den Atem stocken und fängt das flüchtige Aroma des Getränkes ein. Qahwa, ursprünglich ein arabisches Wort, haben die Bosniaken als Ganzes angenommen. In Bosnien wird Kahva eng mit Freundschaft und Nähe verbunden. Eine Einladung zu einer Tasse schlägt nur jemand seinem Gegenüber vor, der ihm zugeneigt ist. So besagt ein altes Sprichwort, dass nie der Teufel, sondern nur ein Freund zum schwarzen Trank einlädt. In der heutigen Zeit vergleichbar mit einer Freundschaftsanfrage auf Facebook. Nimmt man die Einladung entgegen, so bestätigt man die Freundschaft, lehnt man sie ab, beschreibt dies das Verhältnis der jeweiligen Personen. Die bosnische Kaffeekultur stellt eine soziale Institution dar, die um die zwischenmenschlichen Beziehungen bemüht ist.
Wird der Kaffee serviert, so ist dies ein Zeichen: Lass uns reden, lass deine Einsamkeit nicht länger einsam sein, lass uns ein wenig dem Alltag entfliehen und uns eine schöne Zeit machen. Im Leben der Bosniaken hat der Kaffee eine unersetzbare Rolle eingenommen. Seit Jahrhunderten wurde die Kaffeekultur gepflegt, vom Mahlen, Rösten, Servieren und Trinken. Der gemahlene Kaffee wird in die zuvor erhitzte "dzezva" hinzugefügt, mit kochendem Wasser übergossen und schließlich abgewartet, dass der schäumende Kaffee bis zur obersten Kante der Kannen ankommt. Hierbei wird großes Geschick gefordert, da der Kaffee nicht überkochen darf, sonst fehlt der Schaum und der Herd wird ruiniert. Man lässt den Kaffee kurz ziehen und füllt ihn anschließend in "fildzane", kleine Mokkatassen. Serviert wird der Kaffee mit Zucker und Milch, jedoch getrennt, da ihn die Menschen auf verschiedene Varianten trinken. An der Art wie der Kaffee ausgeschenkt wird, können die Gäste die Wertschätzung des Gastgebers erschließen. Wird der Kaffee stark zubereitet, unterstreicht der Gastgeber damit seine Zuneigung den Gästen gegenüber. Gerät der Kaffee "dünn", so ist der Gastgeber zu seinen Gästen zurückhaltend und geizig. Diese kleinen Rituale und Regeln rund um das Nationalgetränk der Bosniaken ist ein integraler Bestandteil des bosnischen Brauchtums.
Kaffee alsweiße Fahne
Die komplexe Zubereitung des Kaffees spiegelt auch die Geschichte Bosniens wider. Noch immer ist das Land, das halb so viele Einwohner hat wie Österreich, zweigeteilt, hat drei verschiedene Regierungen und an die hundert Parteien. Nach dem Krieg ist zwar eine Waffenruhe eingetreten, aber von einem Zusammenleben der verschiedenen Ethnizitäten kann keine Rede sein. Die Menschen leben in den von ihnen ethnisch dichtest besiedelten Flecken des Landes. Muslime, serbisch-orthodoxe, römisch-katholische Christen und Juden, die einst klein Jerusalem im ehemaligen Jugoslawien bildeten, sind in vielen Teilen des Landes abgekapselt voneinander.
Diese Tatsache bewegte Hajdarevic einen gemeinsamen, über die Nationalität hinausgehenden Nenner zu suchen. In Wien denkt sie oft an die Heimat, an die Probleme dort und an ein mögliches Miteinander hier.
Die Kaffeekanne ist ihre Art, "auf einem friedlichen Weg zum Dialog einzuladen. Die Einladung zum Kaffee hat dieselbe Bedeutung, wie die weiße Fahne damals im Krieg. Es ist ein Symbol für den Dialog, für Gespräche und Verhandlungen. Wir wollen nicht alles runter brechen auf Krieg. Wir sind eine Plattform zwischen Bosnien und Österreich, wir wollen einen Austausch", erklärt Hajdarevic hoffnungsvoll.