Am Anbeginn des Internetzeitalters ging Nichts ohne den US-Konzern, doch seit Jahren wird nur mehr hinterher gehechelt.
San Francisco. Es gibt den Spruch, dass man in der IT-Industrie in Hundejahren rechnen sollte, um zu illustrieren wie kurzlebig, aber doch fordern die Branche ist.
Viele neugegründete Start-Ups verschwinden bevor das Geschäft richtig begonnen hat. Andere werden von größeren Konzernen geschluckt – am besten kurz vor dem Höhepunkt ihres Lebens, und verschwinden dann wieder in den unendlichen Weiten des Internet. Dann gibt es die Totgesagten, die doch weiter leben und zu guter Letzt die wirklich erfolgreichen Unternehmen. Und dann gibt es Yahoo.
Yahoo gibt Analysten und Experten seit geraumer Zeit Rätsel auf. Wie kann es sein, dass ein Unternehmen mit so viel Geschichte, seit Jahren dem Mitbewerb nachhechelt? Wie kann man ein Urgestein der Internethistorie am Leben halten? Es scheint, als würde nun auf die zweite Frage eine Antwort gefunden haben – gar nicht.
Am Anfang war der große Erfolg
Die Geschichte beginnt im Jahr 1994. Damals wurde aus "Jerry and David's Guide to the World Wide Web" ein "Ding" namens "Yahoo!". Die beiden Yahoo-Gründer Jerry Yang und David Filo, Absolventen der Stanford University, wollten mit einer Online-Suchmaschine und einem E-Mail-Angebot im Internet reüssieren. Doch der Plan musste innerhalb kürzester Zeit schon wieder geändert werden, weil Yahoo unglaublichen Erfolg hatte. Am Anbeginn des Internetzeitalters ging Nichts ohne den US-Konzern. Damals, als das Internet noch mit dem Netscape Navigator-Browser erkundet wurde, Facebook und Google noch nicht einmal angedacht waren und eine Dotcom-Blase noch ein kleines Bläschen war, da war Yahoo das Größte.
Mit einer Millionensumme an Venture Capital ausgestattet, machten sich die Yahoo-Chefs schon sehr früh auf, vielversprechende Start-Ups aufzukaufen. So entstanden nach und nach die wesentlichen Geschäftsfelder abseits der Suchmaschine, so etwa E-Mail-Dienst oder auch Geocities, der damals größte Anbieter kostenloser Webseiten-Baukästen und Speicherplatz. Am 3. Jänner 2000 verzeichnete die Yahoo-Aktie mit 475 Dollar ihren Allzeit-Höchstwert. Doch dann kamen das Platzen der Dotcom-Blase und die wachsende Konkurrenz von Google und Facebook.
Ultimo ratio: Der Verkauf
Die Dominanz von Google und Facebook drängt den kriselnden Internet-Pionier Yahoo immer näher an den Abgrund. Nach einem milliardenschweren Verlust streicht der einstige Vorreiter bei der Online-Suche und E-Mails rund 15 Prozent seiner Stellen - etwa 1.700 Jobs - und stellt sogar das Kerngeschäft zum Verkauf. Der Sanierungsplan habe zwar Vorrang.
Doch sollte es Angebote geben, werde man sich damit beschäftigen und "strategische Alternativen" für das Internet-Geschäft erwägen, sagte Yahoo-Chefin Marissa Mayer. Damit droht dem Branchenveteranen rund 20 Jahre nach seiner Gründung und Beginn des Onlinebooms ein ähnlich tiefer Fall wie AOL.
Seit ihrem Wechsel an die Yahoo-Spitze 2012 ist es der früheren Google-Managerin nicht gelungen, das jahrelange Siechtum zu beenden und verlorenen Boden auf Google und Facebook wieder gutzumachen. Auch mehrere Übernahmen wie die der Blogging-Plattform Tumblr und ein Konzern-Umbau änderten daran nichts. Im Dezember hatte Mayer dann angekündigt, Yahoo aufzuspalten: einerseits in den milliardenschweren Anteil an dem chinesischen Amazon -Rivalen Alibaba, der als das Yahoo-Kronjuwel gilt, und andererseits in die Internetsparte.
Mayers Äußerungen am Rande der Bilanzvorlage am Dienstagabend sind nun der bisher deutlichste Hinweis auf eine Bereitschaft, das traditionelle Geschäft zu verkaufen. Als ein Interessent gilt der Mobilfunkanbieter Verizon. Microsoft hatte bereits vor rund acht Jahren für Yahoo geboten. Mit der Übernahme des Handy-Geschäfts des ebenfalls ins Hintertreffen geratenen Branchen-Pioniers Nokia hat der US-Softwareriese aber schlechte Erfahrungen gemacht.
Das Ergebnis im vierten Quartal dürfte den Druck auf Mayer noch erhöhen. Der Umsatz ging um 15 Prozent auf rund eine Milliarde Dollar (915,8 Mio. Euro) zurück. Wegen Abschreibungen auf Firmenteile fiel ein Verlust von 4,43 Mrd. Dollar an. Vor einem Jahr stand noch ein Nettogewinn von 166 Mio. Dollar in den Büchern.
Mit einer radikalen Schrumpfkur will Mayer das Ruder herumzureißen. Die Zahl der Mitarbeiter soll bis Ende des Jahres auf rund 9.000 gesenkt werden. Das sind 42 Prozent weniger als es noch 2012 am Anfang der Amtszeit von Mayer waren, die damals mit viel Vorschusslorbeeren startete. Zudem werden die Büros in Dubai, Mexiko-Stadt, Buenos Aires, Madrid und Mailand geschlossen. So sollen die operativen Kosten heuer um 400 Mio. Dollar reduziert werden. Bis zu 3 Mrd. Dollar soll der Verkauf von Tafelsilber - zum Beispiel Immobilien und Patente - einbringen.
Auch die Produktpalette wird verkleinert. Künftig soll der Schwerpunkt auf die Sparten Nachrichten, Sport, Finanzen und Lifestyle sowie auf Suchanfragen und Werbung über Smartphones, Tablets und andere mobile Geräte gelegt werden. Doch genau hier sind Google und Facebook enteilt. Beide glänzten zuletzt mit hohen Wachstumsraten. Die Google-Mutter Alphabet löste sogar Apple an der Börse als wertvollsten Konzern der Welt ab.
Die Yahoo-Anteilseigner verlieren daher allmählich die Geduld und zweifeln auch an den Erfolgsaussichten der neuen Strategie. So erklärte der Aktionär SpringOwl Asset Management, der Kurs gehe nicht ausreichend die eigentlichen Probleme bei Yahoo an, wie etwa ungünstige Partnerschaften, zu hohe Ausgaben und eine zu große Belegschaft.
Die Aktie fiel im nachbörslichen US-Handel um 1,2 Prozent. Das Papier hatte in den vergangenen zwölf Monaten schon mehr als ein Drittel eingebüßt.