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Die Schrecksekunde bei Verwertungsgesellschaften, Content-Industrie und der Justiz hat ein wenig länger gedauert - aber nun ist die Sache wohl am Kippen: YouTube kann sich nicht länger darauf zurückziehen, "nur" der Plattform-Anbieter zu sein und nicht die Verantwortung dafür zu tragen, dass von den jede Minute des Tages heraufgeladenen rund 60 Stunden Material wohl ein schöner Teil unberechtigt online geht. Es handelt sich dabei (im Sinne des Urheberrechts) um zu Unrecht veröffentlichtes Material.
Was bei einer CD oder DVD völlig klar ist, nämlich, dass man sie nicht beliebig weiterkopieren oder senden darf, bedurfte im Wellengang der Woge der Begeisterung über das freie Internet einiger Jahre, bis nun die juristischen Klärungen, wie jene des Landgerichtes Hamburg, langsam eintrudeln. Das nicht rechtskräftige Urteil vom Freitag sagt klar: Geschützter Content muss gelöscht oder bezahlt werden. Und zwar nicht erst, wenn es jemandem auffällt.
Die Konsequenzen daraus sind einfach: Da YouTube nicht darauf verzichten wird und die Gegenseite - in diesem Fall die Verwertungsgesellschaft Gema - auch nichts von einer Löschung hat, wird man sich in der Mitte treffen müssen. Was für jeden Radiosender und jedes Wirtshaus gilt, gilt auch für die Streaming-Anbieter: Gema zahlen! YouTube wird also mit den Verwertungsgesellschaften einen pauschalen Vertrag über die Lizenzrechte am Material schließen, wie es viele tausende andere Nutzer auch tun. Denn dass dieses Stück für Stück abgerechnet wird, wird die Gema wohl nicht durchbringen - das wäre zu aufwendig und zwar nicht für YouTube, sondern für die Verwertungsgesellschaft.
Auch in den USA laufen derzeit ähnlich gelagerte Musterprozesse, und es sieht auch dort nicht danach aus, als ob sich die "Im Netz ist es gratis"-Fraktion durchsetzten wird: Auch hier wird man in irgendeiner Form rechtlichen Frieden mit den Urhebern schließen müssen, will YouTube (immerhin im Besitz des Netzriesen Google) weiter bestehen.
Wohlgemerkt muss man darauf hinweisen, dass all diese Gerichtsurteile auf der derzeitigen Rechtslage basieren. Auf einer Rechtslage, die geschaffen wurde, als Musik noch auf Schallplatten verkauft wurde und vom Internet nicht einmal in den kühnsten Träumen der Utopisten die Rede war. Man muss daher auch darauf hinweisen, dass speziell in Europa mit den Piraten eine noch nicht einschätzbare neue Kraft aufgetreten ist, die das Beseitigen von Hindernissen für ein freies Netz auf ihre Fahnen geschrieben hat. Wenn sich diese Kräfte realpolitisch durchsetzen, werden die Karten wohl in Sachen Urheberrecht neu gemischt.