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Yunus kämpft gegen die Behörden

Von Klaus Huhold

Politik

Mikrokredite geraten zusehends in Verruf. | Nobelpreisträger grenzt sich von Kredithaien ab. | Dhaka. Der Friedensnobelpreisträger kämpft um sein Lebenswerk: Muhammad Yunus, der Erfinder der Mikrokredite, wurde von den Behörden in Bangladesch als Generaldirektor der von ihm selbst gegründeten Grameen Bank abgesetzt. Yunus hat dagegen geklagt, nun soll der Oberste Gerichtshof entscheiden, ob die Entlassung rechtens war. Das Urteil wird für Sonntag erwartet.


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Finanzminister Abul Maal Abdul Muhith verkündete, dass Yunus mit seinen 70 Jahren die Pensionsgrenze für seinen Job, die bei 60 Jahren liegt, klar überschritten habe. Der Finanzminister ist übrigens selbst 77 Jahre alt. Zudem gab die Zentralbank an, sie habe der Ernennung von Yunus zum Direktor auf unbestimmte Zeit im Jahr 2000 niemals zugestimmt.

Die Anhänger von Yunus vermuten hinter der Entlassung eine politische Intrige. Jedenfalls soll Premierministerin Sheikh Hasina schon lange nicht sonderlich gut auf Yunus zu sprechen sein, seit sich dieser vor einigen Jahren mit dem Gedanken spielte, eine eigene Partei zu gründen. Yunus kritisiert immer wieder die politische Klasse seines Landes und bezeichnet diese etwa einmal in einem Interview als korrupt und "nur an Geld und Macht interessiert".

Schwere Vorwürfe

Hasina fährt nun schwere Geschütze gegen Yunus auf. Sie wirft dem Sozialaktivisten vor, sich mit Tricks um Steuerzahlungen zu drücken und mit seinen Mikrokrediten "das Blut der Armen aufzusaugen". Dabei würdigen viele internationale Entwicklungsexperten die Grameen Bank dafür, dass sie Millionen Menschen die Chance auf einen Weg aus der Armut gegeben habe. War sie doch das erste Institut, das Bedürftigen, die bei gewöhnlichen Banken nicht kreditfähig wären, ohne Sicherheiten kleine Darlehen gewährte. Armen soll damit ermöglicht werden, sich eine wirtschaftliche Existenz zu schaffen.

Doch Hasina trifft mit ihrer Aussage durchaus auch die Stimmungslage vieler Kritiker der Mikrokredite in Südasien. Denn die Darlehen geraten immer mehr in Verruf und darunter leidet auch die Reputation ihres Erfinders.

Tatsächlich wurde zuletzt viel Schindluder mit Mikrokrediten getrieben. Immer mehr Institute drängen auf den Markt, die den Geldverleih an Arme nur noch als Geschäft ansehen, hohe Zinsen verlangen und beim Eintreiben der Gelder oft brutal agieren. In Indien kam es zu einer Selbstmordwelle unter Frauen, die das geliehene Geld nicht mehr zurückzahlen konnten. Und auch in Bangladesch gibt es immer wieder Berichte von armen Menschen, denen skrupellose Geldeintreiber ihr letztes Vieh wegnehmen.

Yunus grenzt sich von derartigen Praktiken ab. "Als ich die Idee entwickelte, habe ich nicht gedacht, dass die Mikrokredite eines Tages ihre eigene Zucht von Kredithaien hervorbringen würde", sagt der Nobelpreisträger. Er betonte in einem Gespräch mit der "Zeit", dass seine Grameen-Bank ein soziales Unternehmen sei. "Es hat nicht das Ziel, Gewinn zu machen." Zudem fordert Yunus strenge Kriterien für die Vergabe von Mikrokrediten. Wer mehr als 15 Prozent Zinsen im Jahr nehme, sei ein Abzocker.

"Hervorragende Idee"

Dass mit Mikrokrediten viel Missbrauch getrieben werde, meint auch der Volkswirt Markus Loewe vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Trotzdem hält er diese für eine "hervorragende Idee".

"Die Kredite erlauben vielen Haushalten, schlimme Zeiten zu überstehen oder sich aus der Misere zu befreien", sagt Loewe der "Wiener Zeitung". Als Beispiel nennt er einen Landwirt, dem die Ernte ausfällt. Mithilfe eines Mikrokredits könnte dieser weiter seine Familie ernähren und die Kinder zur Schule schicken. Wenn er wieder eine Ernte einbringt, kann er dann den Kredit begleichen.

Damit Mikrokredite aber funktionieren, müssten Kreditgeber genau überprüfen, ob der Kreditnehmer das Geld auch zurückzahlen wird können. Zudem müsse der Kreditnehmer detailliert über die Risiken aufgeklärt werden. Auch einer strengeren behördlichen Regulierung kann Loewe etwas abgewinnen. "Wie bei jeder Idee kommt es auch bei Mikrokrediten auf die Umsetzung an", betont der Volkswirt.