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Zagreb läuft Zeit davon

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Je näher der 17. März rückt, umso nervöser wird die kroatische Regierung. Denn vor dem geplanten Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union sollte Zagreb den vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal angeklagten ehemaligen General Ante Gotovina ausliefern. Doch die Zeit wird knapp.


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SPÖ-Europaabgeordneter Hannes Swoboda will die Unschuldsvermutung gelten lassen. Er forderte die Chefanklägerin des UNO-Tribunals in Den Haag, Carla del Ponte, auf, konkrete Beweise vorzulegen, dass sich der gesuchte Ex-General Gotovina in Kroatien aufhalte. Es gelte das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, wonach Beweise notwendig seien, wenn Behauptungen aufgestellt werden, meinte Swoboda im ORF-Radio.

Carla del Ponte hatte immer wieder betont, dass Kroatien Gotovina ausliefern könnte, wenn es wollte - ansonsten eine volle Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal nicht gegeben sei. Auch Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso forderte das Land zur Kooperation mit Den Haag auf, damit die Beitrittsverhandlungen am 17. März beginnen könnten.

Appell im Radio

Die Regierung in Zagreb hingegen beharrt darauf, keine Hinweise auf den Aufenthalt Gotovinas in Kroatien zu haben. Dennoch appellierte Ministerpräsident Ivo Sanader vor wenigen Tagen im öffentlich-rechtlichen Radio an den ehemaligen General, sich der Justiz zu stellen. Dem in einigen Gegenden wie einen Volkshelden verehrten Gotovina werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen während der Rückeroberung der von den Serben kontrollierten Krajina im Jahr 1995 vorgeworfen. Er soll unter anderem für die Tötung von 150 Serben verantwortlich sein.

"Die kroatische Öffentlichkeit setzt die EU mit dem "Fall Gotovina" gleich", befürchtet Sanader. Nicht zuletzt deswegen könnte die Zustimmung zur Union in dem Land gesunken sein. Die Unterstützung für einen EU-Beitritt ist so niedrig wie nie zuvor. Laut einer in der Tageszeitung "Vecernij list" publizierten Umfrage würden derzeit lediglich 47,3 Prozent der Kroatinnen und Kroaten für eine EU-Mitgliedschaft stimmen - fast 17 Prozent weniger als vor einem Jahr. Dagegen würden sich 36,3 Prozent aussprechen.

Sollte der Beginn der Beitrittsverhandlungen verschoben werden, könnte das auch innenpolitische Folgen für Sanaders HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) haben. So bleibt offen, ob die Partei bei den Lokalwahlen im Mai ebenso erfolgreich sein kann wie vor vier Jahren. Auch warnen Politiker vor einem Erstarken nationalistischer und europaskeptischer Tendenzen. Dieses Argument könnte allerdings auch gegen Zagreb gewendet werden: Vielleicht sei das Land tatsächlich noch nicht reif für den EU-Beitritt. Die Europäische Union wiederum müsste bei ihren Forderungen bleiben, will sie signalisieren, dass Kandidatenstaaten sich an die ihnen gestellten Bedingungen halten müssen.