Der für morgen geplante Termin für den Beginn von Beitrittsverhandlungen der EU mit Kroatien scheint nicht mehr haltbar. Nach dem Ultimatum zur Auslieferung von Ante Gotovina, das EU-Ratsvorsitzender Jean-Claude Juncker gestellt hat, zeichnet sich eine Verschiebung ab. Heute beraten die Außenminister und -ministerinnen der EU-Staaten.
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Bis 23.59 Uhr hätte Zagreb Zeit. Doch dass der ehemalige General Gotovina bis dahin an das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert wird, ist unwahrscheinlich. Dies aber wäre die Bedingung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Kroatien am Donnerstag, hat auch EU-Ratsvorsitzender Juncker klargestellt. Somit zeichnet sich erstmals in der Geschichte der EU eine Verschiebung von Beitrittsgesprächen wegen ungeklärter Menschenrechtsfragen ab.
Während 21 EU-Staaten dafür plädieren - vor allem Großbritannien, die Niederlande, Dänemark und Schweden -, waren die Befürworter eines raschen Beginns von Verhandlungen bei einem Treffen auf Botschafterebene gestern in Brüssel in der Minderheit. Lediglich Österreich, Slowenien, Ungarn und die Slowakei wollen die Gesprächsaufnahme nicht von einer Person abhängig machen. Österreich werde Kroatien "absolut unterstützen", erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in Wien. Zwar dürfe die EU in der Frage der Kooperation mit dem UNO-Tribunal nicht nachgeben. Allerdings solle sie auch die Leistungen Kroatiens anerkennen.
Ähnlich argumentierte der kroatische Ministerpräsident Ivo Sanader. Sein Land habe "alles getan", um mit Den Haag voll zusammen zu arbeiten, versicherte er. Gleichzeitig betonte Sanader einmal mehr, dass Ante Gotovina nicht fassbar sei: "Er ist nicht in Kroatien."
Wegen der Meinungsverschiedenheiten der Mitgliedstaaten habe der EU-Vorsitz darauf verzichtet, eine Vorlage für die Schlussfolgerungen der AußenministerInnen auszuarbeiten, hieß es aus Diplomatenkreisen. Im Falle einer Verschiebung des Verhandlungsbeginns sei nicht anzunehmen, dass Kroatien einen weiteren Termin für den Start bekomme.
Wahrscheinlicher ist die Einigung der EU-Staaten auf eine offene Formulierung: Sobald die volle Kooperation des Landes mit dem UNO-Tribunal sichergestellt ist, könnten die Beitrittsverhandlungen beginnen. Nach einer "Abkühlungsphase" könnten die Gespräche dann doch in einigen Wochen starten.