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Derzeit de facto keine Rückführungen von Asylwerbern nach Ungarn. Kern trifft Orban in Budapest.
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Wien. Am heutigen Dienstag besucht Bundeskanzler Christian Kern seinen Amtskollgen, den ungarischen Premier Victor Orban, in Budapest. Es ist sein erster Besuch als Bundeskanzler in Ungarn und dabei dürfte das Flüchtlingsthema dominieren. Neben gemeinsamen Grenzsicherungsmaßnahmen wird es wohl um die Rückführung von Flüchtlingen nach Ungarn gehen. Und Zweiteres ist besonders schwierig. Denn Ungarn weigert sich beharrlich, Schutzsuchende aus einem anderen EU-Land aufzunehmen.
Am 14. Juli haben Innenminister Wolfgang Sobotka und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil die ungarische Grenzgemeinde Röszke besucht. Mit ihren ungarischen Amtskollegen, Innenminister Istvan Simicsko und Verteidigungsminister Sandor Printer, haben sie sich damals darauf geeinigt, bis Anfang August 20 österreichische Polizisten an die ungarisch-serbische Grenze als Unterstützung zu schicken. Denn auf der serbischen Seite warten derzeit rund 1500 Asylsuchende auf die Einreise nach Ungarn und damit auf die Weiterreise nach Österreich und Deutschland. Ungarn lässt derzeit täglich nur insgesamt 30 Asylbewerber in die sogenannten Transitzonen an der Grenze, wo diese einen Antrag stellen können.
Keine Dublin-Rückführungen
Keinen Fortschritt gab es damals beim Thema Rückführungen sogenannter Dublin-Fälle. Gemäß der EU-Verordnung Dublin III ist eigentlich jenes EU-Land für den Asylantrag zuständig, das ein Schutzsuchender erstmals betreten hat. Ungarn argumentiert hier, dass fast alle Flüchtlinge, die nach Ungarn kommen, über Griechenland eingereist sind. Man wolle nur jene Flüchtlinge aufnehmen, die davor kein EU-Land passiert haben, was eine sehr kleine Anzahl an Menschen ist.
2011 hat man aber auf EU-Ebene aufgrund der Lage vor Ort beschlossen, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland abzuschieben, auch wenn sie dort erstmals EU-Boden betreten haben. Im ersten Halbjahr mussten 5163 Flüchtlinge Österreich verlassen. Das ist ein Plus von 24 Prozent. 3195 sind freiwillig ausgereist, 1057 wurden abgeschoben. In 911 Fällen handelte es sich um sogenannte Dublin-Fälle, also Menschen, für deren Verfahren ein anderes EU-Land zuständig ist.
Nach Ungarn ging dabei kaum einer, denn die Behörden weigern sich, Flüchtlinge zurückzunehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hat im September des Vorjahres die Abschiebung einer Asylwerberin nach Ungarn gestoppt. Die Afghanin kam mit ihren minderjährigen Kindern 2014 nach Österreich, nachdem sie zuvor in Ungarn gewesen war. Damit wäre eigentlich das Nachbarland für ihr Asylverfahren zuständig gewesen.
Zunächst hatte das Bundesverwaltungsgericht die Rückführung im Mai 2014 noch bestätigt. Der Verwaltungsgerichtshof hatte die Abschiebung dann gestoppt, weil die Lage für Flüchtlinge in Ungarn damals verheerend war. Damit die Regierung künftig wieder mehr zurückweisen kann, müsste diese Entscheidung entweder aufgehoben oder ignoriert werden. Ungarn hat allerdings ohnehin kein Interesse daran, Flüchtlinge wieder zurückzunehmen.
Angespannte Beziehung
Bundeskanzler Kern steht vor der schwierigen Aufgabe, das angespannte Verhältnis zwischen beiden Ländern ein Stück weit zu kitten. Im Vorjahr hatte Ex-Kanzler Werner Faymann das harte Vorgehen der ungarischen Behörden gegenüber Schutzsuchenden kritisiert. "Flüchtlinge in Züge zu stecken in dem Glauben, sie würden ganz woandershin fahren, weckt Erinnerungen an die dunkelste Zeit unseres Kontinents", sagte er in einem Interview mit den deutschen "Spiegel". Daraufhin wurde der österreichische Botschafter in Ungarn ins Außenamt zitiert.
Und auch Kern hat schon den Unmut Orbans auf sich gezogen. "Nicht einmal der Herr Orban kann sich wünschen, die Flüchtlinge wegzubeamen, wie wir anhand der jüngsten Entwicklungen sehen", sagte Kern in Bezug auf den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer. Und auch hier musste sich der österreichische Botschafter in Ungarn erklären, Kern sei "missverständlich zitiert" worden. An einer angespannten Beziehung in der Flüchtlingsfrage haben aber beide Länder kein Interesse. Sowohl Österreich als auch Ungarn sind um eine gemeinsame Grenzsicherung zu Serbien bemüht, damit gar nicht erst so viele Menschen ins Land kommen. Und falls Österreich seine Grenze zu Ungarn ganz dicht macht, muss die Regierung fürchten, dass letztlich zahlreiche Flüchtlinge in Ungarn stranden.
Orban zu überreden, Flüchtlinge zurückzunehmen, dürfte dennoch eine Herkules-Aufgabe werden. Erst am Samstag hatte er bei einem Rumänien-Besuch die europäische Flüchtlingspolitik für gescheitert erklärt: "Europa ist heute nicht in der Lage, seine Bürger und seine äußeren Grenzen zu schützen." Er werde auch weiterhin keiner gemeinsamen EU-Asylquote zustimmen, sagte Orban.