)
Früherkennung wichtig für Verzögern der Progression. | Erkrankungen vor 65. Lebensjahr selten. | Wien. Kognitive Defizite und psychische Störungen zählen zu den häufigsten Erkrankungen älterer Menschen. Allein in Österreich gibt es derzeit 100.000 Demenzpatienten, wobei es jährlich zu rund 20.000 Neuerkrankungen kommt, wie Georg Psota, Oberarzt im Geronto Psychiatrischen Zentrum Wien, erklärt. Angesichts der immer älter werdenden Gesellschaft ist im Jahr 2050 mit 233.800 Demenzpatienten zu rechnen, stellt die Österreichische Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (Ögam) fest. Die Demenz - "der abnehmende Geist" - stellt daher eine große Herausforderung für die Zukunft dar.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 18 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vor dem 65. Lebensjahr ist eine Erkrankung eine Rarität, meint Psota. Deutlich steigt die Kurve aber erst ab dem 75. Lebensjahr an. So ist jeder vierte über 80-Jährige und jeder dritte über 90-Jährige dement. Alter ist allerdings nicht gleichbedeutend mit Demenz, warnt der Mediziner.
Das Risiko für Frauen ab 65, daran zu erkranken, beträgt 35 Prozent, für Männer 16 Prozent. Demenzerkrankungen verschlechtern nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern auch die ihrer Angehören und Familien. Für die Patienten selbst bedeutet das eine drastisch erhöhte Abhängigkeit von anderen Personen und eine Komplikation für sämtliche bereits bestehende Erkrankungen.
Risikofaktoren sind das Alter, eine entsprechende Familienanamnese, niedriger Bildungsgrad, Schädeltraumata und das Down-Syndrom. Vom Beginn der Krankheit bis zum Tod vergehen im Durchschnitt zehn Jahre, so Psota.
Früherkennung ist daher wesentlich, um das Fortschreiten der Krankheit zu verzögern und das Auftreten von schweren Symptomen und deren Folgen wie Institutionalisierung hinauszuzögern. Als Symptome gelten die dramatische Verringerung von Alltagsfertigkeiten, ein verändertes Verhalten sowie Gedächtnisstörung. Psychologisch kann sich die Krankheit in Paranoia, Wahn, Halluzinationen, Depression, Angst und Missidentifikation zeigen.
Diagnose nach vier wichtigen Kriterien
Für die Diagnose müssen laut europäischem Standisierungskodex ICD-10 vier wesentliche Punkte vorliegen: Abnahme des Gedächtnisses, der Urteils- und Denkfähigkeit, Störungen in Emotionskontrolle, Sozialverhalten und Antrieb. Die Störungen müssen mindestens ein halbes Jahr andauern und einen chronischen Verlauf haben. Ähnliche Symptome als Begleiterscheinung von Infektionen, Medikamenten oder einer schweren Krankheit haben nichts mit Demenz zu tun, betont Georg Psota. Die Früherkennung erfolgt unter anderem mittels Mini Mental State Examination (MMSE), einem kleinen Gedächtnistest. Jedoch sollte dieser nicht alleine eingesetzt werden, weil das Resultat auch alters- und bildungsabhängig ist. Wesentlich ist der Uhrentest, wobei die Patienten aufgefordert werden, eine Uhr mit Zahlen und einer bestimmten Uhrzeit zu zeichnen. Dieser Test prüft sowohl konstruktiv-praktische als auch kognitive Funktionen.
Mit rund 60 bis 70 Prozent ist Morbus Alzheimer die häufigste Ursache für ein dementielles Syndrom. In den meisten anderen Fällen (20 bis 30 Prozent) handelt es sich um eine vaskuläre (durchblutungsbedingte) Demenz oder eine Kombination. Alzheimer-Patienten gelten außerdem als besonders delirgefährdet. Leitsymptom dafür sind subakut auftretende Bewusstseinsstörungen.
Derzeit werden allerdings nur etwa 15 bis 18 Prozent der Alzheimer-Patienten therapiert. Verantwortlich dafür sind sowohl die zu geringen Diagnoseraten als auch die Tatsache, dass manchmal selbst nach gestellter Diagnose keine Therapie mit Antidementiva eingeleitet wird.
Sogenannte Antidementiva - wie etwa die Substanzen Acetylcholinesterase-Inhibitoren (AChE-I) oder die Substanz Memantin - erhalten oder verbessern kognitive Fähigkeiten und Alltagskompetenzen, führen zu einer Verzögerung des Krankheitsverlaufs und verringern psychopathologische Störungen.
AChE-Inhibitoren steigern die funktionelle Aktivität des cholingeren Neurotransmittersystems und sind derzeit die wichtigste Therapie der leichtgradigen bis mittelschweren Alzheimer-Demenz. Durch große Studien ist die Wirksamkeit der Medikamente Donezepil, Ri-vastigmin und Galantamin dokumentiert. So können AChE-Inhibitoren eine Verzögerung der Progression des dementiellen Abbaus für 0,5 bis 1,5 Jahre erbringen. Positive Wirkung können sich auch auf die Begleitsymptome der Demenz entfalten.
Memantin wiederum zeigt eine positive Wirksamkeit bei Patienten mit schwerer Alzheimer-Demenz, darüber hinaus auch bei der vaskulären Demenz. Dabei kommt es zu einer Verbesserung der Alltagskompetenzen und zu einer Besserung von Verhaltensstörungen.
Eine Heilung ist derzeit nicht möglich. Geforscht wird nach wie vor an einer Impfung, wodurch der Krankheitsverlauf entscheidend verzögert werden soll.
Betreuung erfolgt meist durch Angehörige
Medikamente sind allerdings nur eine von drei Therapiesäulen. Als zweite Säule wird die geistige und körperliche Aktivierung vorangetrieben. Schließlich ist auch Angehörigenarbeit notwendig, daher werden diese durch professionelle Helfer beraten. Denn immerhin leben vier von fünf Kranken zu Hause, und drei von vier Patienten werden von Angehörigen betreut. Die Statistik zeigt allerdings auch, dass zwei von drei betreuenden Angehörigen selbst über 60 sind. Für die Zukunft stellt sich daher die Frage, wie in einer immer älter werdenden Gesellschaft die Versorgung gewährleistet werden kann.