Händler von Bellaflora bis dayli nutzen Sonderregelungen, um aufzusperren.
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Wien. Ob beim Mini-Merkur am Wiener Westbahnhof, beim Spar im Wiener AKH, im Tankstellenshop oder beim Bäcker um die Ecke: Schon jetzt ist es vielerorts in Österreich kein Problem, am Sonntag einzukaufen. Und das, obwohl am Sonn- und Feiertag Verkaufsstellen geschlossen sein müssen. Das Aufsperren machen zahlreiche Ausnahmen im Öffnungszeitengesetz möglich, teilweise werden von den Unternehmen auch Schlupflöcher genutzt.
680.000 Beschäftigte arbeiten hierzulande laut Statistik Austria regelmäßig an einem Sonntag. Etwa jeder zehnte der mehr als 500.000 Mitarbeiter im Handel zählt zu dieser Gruppe, schätzt die Gewerkschaft.
Tankstellenshops sind beispielsweise vom Öffnungszeitengesetz ausgenommen - hier wittern die großen Handelsketten zusätzliches Verkaufspotenzial. Deshalb wird derzeit kräftig expandiert: Fast im Wochentakt eröffnen neue Shops von Spar express an Doppler- und Shell-Tankstellen. Billa ist an Jet-Tankstellen und Merkur bei BP mit Geschäften vertreten. Hier können die Österreicher außerhalb der regulären Öffnungszeiten Chips für den Fernsehabend oder Milch für den Nachmittagskaffee besorgen - zu Preisen, die meist deutlich über jenen im Supermarkt liegen.
Lebensmittel, Reisebedarf und Reiseandenken dürfen sonntags in Bahnhöfen und Flughäfen verkauft werden - was regelmäßig zu langen Warteschlangen vor den Kassen in Geschäften wie dem Billa am Wiener Bahnhof Praterstern führt. Ebenso sind die Filialen von Billa und Spar am Flughafen Wien-Schwechat nicht nur für Passagiere zugänglich, sondern werden genauso von Anrainern genutzt.
Die am Sonntag offenen Geschäfte dürfen höchstens 80 Quadratmeter groß sein - weshalb Merkur für den Wiener Westbahnhof ein eigenes Mini-Format entwickelt hat. Allerdings können die Landeshauptleute eine größere Verkaufsfläche erlauben.
Ausnahme für Tourismusorte
Für Gemeinden in Tourismusregionen der Bundesländer gelten - mit Ausnahme von Wien - saisonal ausgedehnte Öffnungszeiten, die von den Landeshauptleuten beschlossen werden. Eine Verordnung erlaubt etwa den Geschäften in knapp 190 Tiroler Gemeinden, in der Wintersaison sieben Tage die Woche zu öffnen. Darunter fallen nicht nur Supermärkte, sondern auch Bekleidungs- und Schmuckgeschäfte. Somit stehen Urlauber nicht vor geschlossenen Türen, wenn sie durch die Fußgängerzonen flanieren.
Anders in Wien: In der Bundeshauptstadt gibt es bisher keine solche Regelung, weil es an der Festlegung einer Tourismuszone mit längeren Öffnungszeiten hakt. Allerdings nutzen viele Unternehmen bisher nicht einmal die maximal 72 Stunden pro Woche aus, die Händler von Montag bis Sonntag aufsperren dürfen. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat während der Fußball-Europameisterschaft im Jahr 2008 mit einer Verordnung die Sonntagsöffnung erlaubt - ausgenommen waren Verkaufsstellen für Baustoffe, Möbel, Kraftfahrzeuge und Waffen.
Semmeln und Pflanzen
Dass Semmeln und Kipferl fürs Frühstück sonntags frisch erhältlich sind, liegt an der Gewerbeordnung. Das Sonn- und Feiertags-Betriebszeitengesetz gestattet Bäckereien die Sonntagsöffnung für bestimmte Tätigkeiten, erklärt Manfred Wolf von der Gewerkschaft GPA-djp. Voraussetzung ist eine Betriebsanlagengenehmigung. Rund um die Uhr geöffnet haben außerdem einige türkische Bäckereien.
Gärtnereien dürfen an sechs Sonntagen pro Jahr öffnen. Diese Regelung nutzt auch der Händler Bellaflora, der am vergangenen Sonntag geöffnet hatte. Am 5. Mai bleiben die Geschäfte ebenfalls geöffnet. Verkauft werden an diesen Tagen Pflanzen sowie Produkte für die Pflanzenpflege. "Ich bin kein Verfechter der generellen Sonntagsöffnung. Bellaflora ist ein Saisonbetrieb: Der Großteil des Umsatzes wird von Mitte März bis Ende Mai erzielt. Mit der Sonntagsöffnung tragen wir dem enormen Einkaufsbedarf der Konsumenten Rechnung", so Bellaflora-Geschäftsführer Alois Wichtl.
Schon in den Vorjahren sperrte Bellaflora an zwei Sonntagen pro Jahr auf - und kam damit in Clinch mit der Gewerkschaft. Auch dieses Jahr sind die Arbeitnehmervertreter nicht erfreut: "Ich appelliere an den Bellaflora-Geschäftsführer, nicht am Sonntag aufzusperren", sagt Wolf.
Im Unterschied dazu gilt laut Gewerkschaft die Blumenkette Holland Blumen Mark als Florist (Gewerbe) und darf offenhalten.
Trick mit Gastrokonzession
Indes umgehen einige Händler - zuletzt der Nahversorger dayli (früher Schlecker) die regulären Öffnungszeiten mit einer Gastronomiekonzession. Bis im Frühjahr 2014 sollen alle 885 dayli-Standorte in Österreich über ein Bistro verfügen, um jeden Tag aufzusperren. Im Bistro sieht dayli-Chef Rudolf Haberleitner die Grundlage für die Gastronomiekonzession, die seiner Ansicht nach die Sonntagsöffnung rechtfertigt.
Das Schlupfloch mit Gastrokonzession nutzt auch Handelsriese Spar für seine Filiale in der Wiener Babenbergerstraße, die an sieben Tagen die Woche geöffnet ist - hier werden neben Lebensmitteln auch Snacks und warme Speisen angeboten.
"Schlupflöcher schließen"
Die Gewerkschaft hat angekündigt, "alle Schlupflöcher zu schließen, mit denen umgehungskreative Unternehmer wie Rudolf Haberleitner ihre Interessen zu Lasten der Beschäftigten durchsetzen wollen".
Am Öffnungszeitengesetz selbst muss laut Wolf von der Gewerkschaft GPA-djp nichts geändert werden: "Uns beschäftigten zur Zeit vielmehr die Möglichkeiten am Sonntag zu öffnen, die ursprünglich nicht für diese Unternehmen gedacht waren. Es kann nicht sein, dass ein Nebenrecht in der Gewerbeordnung zum Haupterwerb wird", heißt es mit Seitenhieb auf dayli.
Die Online-Shops freut’s
Wer am Sonntag einkaufen gehen möchte, braucht nur über die Grenze zu fahren: Größere Kaufhäuser wie Ikea und Einkaufscenter wie Eurovea oder der Aupark in Bratislava haben sieben Tage die Woche geöffnet, ebenso wie in Prag.
Wem die Anreise zu lange ist, kann von zuhause aus über das Internet bestellen. Die Online-Shops profitieren davon, wenn die Geschäfte geschlossen bleiben. Das bestätigt Harald Gutschi, Sprecher der Geschäftsführung des Versandhändlers Unito (mit den Marken Otto, Universal und Quelle). Der hinter Amazon umsatzstärkste Internethändler in Österreich verzeichnet laut Gutschi "die Spitzenzeiten des Online-Shoppings am Abend nach der Arbeit und am Sonntag".