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Zahlungsunfähigkeit als Druckmittel

Politik

Die USA plagen mehr als 31 Billionen Dollar Staatsschulden. Republikaner wechseln damit politisches Kleingeld.


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Annähernd 80 Mal seit dem Jahr 1960 hat der US-Kongress die Schuldenobergrenze der Vereinigten Staaten erhöht. Das reichte vom Formalakt bis zu hitzigen Debatten, die eine Lösung erst in buchstäblich letzter Sekunde brachten. Nun tickt die Uhr wieder: Am 5. Juni droht der größten Volkswirtschaft der Welt die Zahlungsunfähigkeit, warnt Finanzministerin Janet Yellen. Bis dahin kann voraussichtlich mit Notbehelfen weiterregiert werden. "Ich fordere den Kongress nachdrücklich auf, unverzüglich zu handeln, um das volle Vertrauen in die USA und ihre Kreditwürdigkeit zu schützen", sagte die frühere Chefin der Zentralbank Fed.

Yellen musste bereits Notfallmaßnahmen einleiten, beispielsweise werden Zahlungen in staatliche Pensionsfonds ausgesetzt. Denn die staatliche Schuldengrenze von 31,4 Billionen Dollar (29 Billionen Euro) wurde bereits in der vergangenen Woche überschritten. Die USA können kein weiteres Geld leihen, ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen und ihre fällig werdenden Altschulden nicht begleichen.

"Wir als Vereinigte Staaten von Amerika zahlen unsere Schulden", versprach President Joe Biden, um Anleger zu beruhigen. Er kennt die Konsequenzen einer Eskalation. 2011, als Vizepräsent unter Barack Obama, erlebte Biden, wie die republikanische Mehrheit im Kongress eine Anhebung der Schuldengrenze hinauszögerte. Als Konsequenz dessen wurde die Kreditwürdigkeit des Landes zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft. Mit dieser politischen Schmach gehen handfeste wirtschaftliche Folgen einher. Schließlich gelten US-Staatsanleihen als sicherste und liquideste Anleihen. Ein Verlust an Vertrauen würde auch den Dollar in Mitleidenschaft ziehen, die weltweite Leitwährung. Im Extremfall kann die Lage eine globale Finanzkrise auslösen.

Warum sich der Kongress dieser Gefahren dennoch aussetzt, hat der hochrangige frühere Republikaner Michael Steele in zwei Worten zusammengefasst: "Kevins Problem." Gemeint ist Kevin McCarthy. Seit Anfang des Jahres führt er die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus an. 15 Wahlgänge benötigte McCarthy. Abweichler aus der eigenen Partei verhinderten seine Wahl, weil sie den 58-Jährigen für zu kompromissbereit gegenüber den Demokraten halten.

Bereit zur Blockade

Die meisten von ihnen gehören dem sogenannten Freedom Caucus an. Sie vertreten für Republikaner nicht untypische Positionen wie Ausgabenkürzungen, Abtreibungsverbot und starke Beschränkung von Einwanderung. Aber sie sind bereit, für ihre Ziele den parlamentarischen Betrieb zu blockieren. Und bei nur vier Stimmen Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus entfalten bereits ein paar Abgeordnete eine gewaltige Drohkulisse.

"Wir müssen die verschwenderische Art, mit der in diesem Land Geld ausgegeben wird, ändern, und wir werden sicherstellen, dass das passiert", sagt McCarthy, um diese Gruppe zufriedenzustellen. Dabei waren es in der Vergangenheit sowohl Demokraten und Republikaner, die den Schuldenberg anwachsen ließen. Ronald Reagans Steuersenkungen in den 1980ern sorgten dafür, dass die US-Schulden von 31 auf 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stiegen. Unter George Bush erhöhte sich die Quote bis 1993 auf 63 Prozent. Unter seinem demokratischer Nachfolger Bill Clinton sanken die Schulden um neun Prozentpunkte, unter George W. Bush stiegen sie wieder um zehn Prozentpunkte. Mit der Finanz- und Wirtschaftskrise stieg unter Barack Obama die Schuldenlast auf 100 Prozent, rechnet die "Neue Zürcher Zeitung" vor. Die Basis dazu habe aber Bush mit Steuersenkungen 2001 und 2003 sowie der Duldung der Entstehung einer massiven schuldenfinanzierten Immobilienblase gelegt. Unter Donald Trump - großem Vorbild der Rechtsaußen-Republikaner - wurde die Unternehmensgewinnsteuer von 35 auf 21 Prozent gesenkt, aber nicht durch andere Steuererhöhungen oder Ausgabensenkungen entscheidend abgefedert.

Die Fehler der Vergangenheit rächen sich nun. Republikaner vermischen diese nun mit Forderungen um künftige Kürzungen. "Es geht darum, Trumps Kreditkarte über acht Billionen Dollar zu zahlen", stellt der frühere Republikaner Michael Steele im Sender MSNBC richtig. Fakten interessieren aber Parlamentarier wie Marjorie Taylor Green nicht - sie bringt sich für die Präsidentschaftswahl 2024 als Vize unter Donald Trump in Stellung. "Diese Frau hat keine Ahnung", resümiert der Konservative Steele. (da/reu)