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Zapfenstreich für die Wehrpflicht

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Europaarchiv

Bundeswehr neu soll Geld sparen. | Kein Konzept für Freiwilligenwerbung. | Berlin. Eine Ära geht zu Ende: Nach 54 Jahren sind am Montag in Deutschland zum letzten Mal Pflicht-Rekruten in ihre Kasernen eingerückt. Insgesamt hat die Bundeswehr noch einmal 12.150 Wehrpflichtige einberufen. Sie sind die Letzten, die den sechsmonatigen Grundwehrdienst ableisten müssen. Offiziell wird die Wehrpflicht zum 1. Juli ausgesetzt. Das ist der Kern der Bundeswehrreform, die Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Herbst des vergangenen Jahres durchgedrückt hatte.


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Derzeit dienen etwa 240.000 Soldaten. Die Bundeswehr soll im Zuge dieser Reform auf 170.000 bis 185.000 Berufs- und Zeitsoldaten verkleinert werden. Schon zum nächsten Termin im März soll keiner mehr gegen seinen Willen eingezogen werden. Stattdessen gibt es einen Freiwilligendienst für Männer und Frauen. Er dauert mindestens sechs und höchstens 23 Monate. In der sechsmonatigen Probezeit können beide Seiten das Dienstverhältnis wieder kündigen. Der Bund fördert die Freiwilligendienste künftig mit 350 Millionen Euro pro Jahr.

Auch der Wehrersatzdienst entfällt. Das zieht für Sozial-, Sport- und Umwelteinrichtungen Probleme nach sich. Von deutschlandweit knapp 62.000 Zivildienstleistenden werden mehr als die Hälfte in der Pflegehilfe und für Betreuungsdienste eingesetzt. Etwa 1100 junge Männer arbeiten sogar in Kindergärten. Laut Familienministerin Kristina Schröder (CDU) müssten sich künftig wenigstens 35.000 Freiwillige für den neuen "Bundesfreiwilligendienst" melden, um die Strukturen erhalten zu können.

Die Umstellung der Bundeswehr auf eine Berufs- und Freiwilligenarmee soll mittelfristig Geld sparen und die Effizienz erhöhen. Das Verteidigungsministerium selbst will seine Dienstposten bis 2012 halbieren.

Sammelbecken für die Unterschicht?

Doch die Reform ist auch mit Nachteilen verbunden. So befürchten gerade strukturschwache Regionen die Schließung einzelner Bundeswehrstandorte. Eine Freiwilligen-Armee ist auch konjunkturabhängig: So werden derzeit 40 Prozent der Wehrpflichtigen und 30 Prozent der Zeit- und Berufssoldaten aus Ostdeutschland gewonnen. Bei den Nachwuchsoffizieren sind es sogar inzwischen 60 und beim Unteroffiziernachwuchs 80 Prozent.

Der Grund für das starke Übergewicht Ostdeutschlands liegt an der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber für Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Für Auslandseinsätze melden sich vor allem Minderqualifizierte, weil die Extrazulage von bis zu 110 Euro pro Tag lockt. Deshalb befürchten einige, dass die Bundeswehr zunehmend zum "Sammelplatz der neuen Unterschicht" wird.

Schon bisher haben die Kader unter Überalterung gelitten, was durch die Umstellung auf Berufsarmee noch verstärkt wird. Aus dem Ministerium verlautet, man wolle die Altgedienten in anderen Bereichen der Bundesverwaltung unterbringen und mit dem "Goldenen Handschlag" den einen oder anderen in die Frühpension schicken. Konkrete Konzepte dafür gibt es ebenso wenig wie für die Nachwuchswerbung von Freiwilligen.