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Die ÖVP muss in Niederösterreich künftig Demut und echtes Miteinander lernen.
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Es ist nie ganz einfach, bei der Analyse von Wahlen, von regionalen zumal, kühlen Kopf zu bewahren. Da ist schnell einmal von Erdbeben, Ohrfeigen, Triumphen, Debakeln und anderen knackigen Begriffen mehr die Rede. Die Lust am Brachialen ist auch im Journalismus unverkennbar.
Rund 40 Prozent für die ÖVP sind, jedenfalls im nationalen und internationalen Vergleich, ein Ergebnis, mit dem man leben kann. Für Niederösterreich und hier vor allem für die so machtverwöhnte wie machtbewusste Landes-ÖVP bleibt es trotzdem eine historische Zäsur: Der Machtverlust ist zum ersten Mal seit Beginn der Zweiten Republik in realistischer Reichweite gerückt.
Verliert die ÖVP ihren fünften Sitz in der neunköpfigen Landesregierung - und diesen zu verteidigen war das wichtigste Wahlkampfziel von Johanna Mikl-Leitner -, kann die ÖVP nicht mehr nur ihr "Miteinander" wie ein Mantra vor sich herbeten, dann muss sie es in Form einer festen Koalition mit einer anderen Regierungspartei auch tatsächlich leben. Andernfalls droht sie in der Regierung selbst überstimmt zu werden. In anderen Bundesländern und Staaten ist das eine seit Jahrzehnten geübte Praxis, für Niederösterreich ist es demokratiepolitisches Neuland.
Konsequenz dieses Wahlergebnisses ist die Schwächung der niederösterreichischen ÖVP und von Johanna Mikl-Leitner ganz persönlich. Im St. Pöltner Landhaus wurden seit dem Abgang von Sebastian Kurz auch die Fäden in der Bundes-ÖVP gezogen, die Landespartei dominiert auch die türkise Ministerriege - neben Kanzler Karl Nehammer, Innenminister Gerhard Karner, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zählt auch Parteimanager Christian Stocker zur blau-gelben Riege im Bund.
Von daher wird es auch schwerfallen, die Verantwortung für das desaströse Abschneiden an die unbeliebte Bundesregierung abzutreten. Wo im Bund ÖVP drauf steht, ist verlässlich viel Niederösterreich drinnen. Ob eine waidwunde ÖVP-NÖ nun für mehr Ruhe oder doch (noch) mehr Unruhe in der Kanzlerpartei injizieren wird, bleibt abzuwarten. Man muss kein Prophet sein, dass ab Montag auch der Kampf um Pole-Position für die Nachfolge Mikl-Leitners beginnen wird. Das ist selten mit stabilen Verhältnissen verbunden.
Welche Lehren lassen sich aus diesem Ergebnis ziehen? Zuvorderst wohl die, dass der Appell an die Wähler, doch bitte die eigene Machtposition zu retten, als wichtigste Botschaft für eine Landeshauptmann-Partei doch zu wenig ist. Vielleicht sind konkrete Antworten auf Zukunftsfragen und aktuelle Sorgen der Menschen doch eine bessere Alternative.