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Die deutschen öffentlich-rechtlichen Sender scheinen zuletzt in Sachen Woke-Agenda ein wenig das Augenmaß verloren zu haben. Dass man sich dabei auch selbst übertölpeln kann, beweist nun das ZDF. Man ließ dort den Sänger Giovanni Zarrella in einer Udo-Jürgens-Gedenk-Performance den Klassiker "Aber bitte mit Sahne" singen. Allerdings ohne das im Text vorkommende Wort "Mohrenkopf". "Sie pusten und prusten, fast geht nichts mehr rein. Nur ein Mohrenkopf höchstens, denn Ordnung muss sein", lauten die Originaltextzeilen von 1976. Im ZDF wurde das Wort durch "Schokokuss" ersetzt. Die "FAZ" wies jedoch darauf hin, dass Jürgens das Wort "Mohrenkopf" nicht einfach nur so, sondern aus gutem Grund und in voller Absicht platziert hatte. Immerhin hatte Jürgens kurz zuvor in einem anderen Song eine Witwe karikiert, die verhindert, dass ein Schwarzer ins "ehrenwerte Haus" einzieht. Hier taucht diese fast Deix'sche Figur nun erneut auf und labt sich mit ihren Freundinnen an Mohrenkopf und Co.
Man muss kein Literaturwissenschafter sein, um die Ironie zu erkennen, die hier wohl intendiert und nicht zufällig oder fahrlässig war. Und das ZDF hat sie wohlmeinend aus dem Lied herausgestrichen.
Dass man beim ZDF bei der Fahndung nach potenziell nicht woke-konformen Texten so weit geht, ist beachtlich. Jürgens war immerhin zeitlebens als kritischer Geist bekannt. Ja, man kann durchaus sagen: Er war schon woke, als mancher ZDF-Redakteur erst eingeschult wurde. Auf den Kontext kommt es hier an. Kein dringender Grund also, die Zensurschere zu bemühen.