)
Die Rechtsaußenfraktion im EU-Parlament kommt nicht zustande - wieder einmal. Seit einer Dekade versucht die FPÖ erfolglos, eine entsprechende Allianz zu schmieden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel/Wien. "Die Rache der Journalisten an den Politikern ist das Archiv", pflegte der viel zu früh verstorbene "ZiB2"-Anchorman Robert Hochner zu sagen. Und tatsächlich lohnt der Blick zurück, um das jetzige Gerangel von Rechtsaußen-Parteien, die eine Fraktion im EU-Parlament bilden wollen, besser einzuordnen. Aktuell haben die FPÖ und ihre Partner, die Rechtsextremisten vom französischen Front National, der niederländische Populist Geert Wilders, die separatistische italienische Lega Nord sowie der ebenfalls nach Unabhängigkeit vom Gesamtstaat strebende flämische Vlaams Belang es nicht geschafft, bis zur Nennfrist am Dienstag zwei weitere Partner zu finden. Denn für die Bildung einer Fraktion in Brüssel und Straßburg sind zumindest 25 Parlamentarier aus sieben Ländern notwendig. Die Mandatsstärke wäre kein Problem - alleine der Front National kommt auf 24 Abgeordnete, insgesamt hält die Kerngruppe der fünf Parteien 38 Sitze. Bloß fehlen Abgeordnete aus zwei weiteren Nationen für die geplante "Europäische Allianz für die Freiheit" (EAF).
Das alte Problem holt FPÖ und Co. wieder ein. Denn die Kerngruppe am rechten Rand findet einfach keine längerfristigen Partner. "Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Fraktion EU-kritischer Freiheitsparteien kommt, auch wenn es etwas länger dauert als geplant", schrieb Vilimsky am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Wobei "etwas länger" durchaus als Untertreibung gelten kann.
Es bleibt beim Kern
Bereits 2004, nachdem er für die FPÖ ins Europaparlament eingezogen war, bemühte sich Andreas Mölzer um die Bildung einer Fraktion. Man sei auf gutem Weg, hieß es. Damals bestand der Kern neben den Freiheitlichen aus der Lega Nord und dem Vlaams Blok, dem Vorgänger des Vlaams Belang. Denn erst unter Mölzer wurde die Partnerschaft mit Blok bzw. Belang innerhalb der FPÖ salonfähig; frühere Abgeordnete wie Susanne Riess-Passer oder die einstige freiheitliche Delegationsleiterin Daniela Raschhofer lehnten die Zusammenarbeit ab. Der frühere Blok-Chefideologe Roeland Raes zweifelte etwa die Zahl der jüdischen Opfer des Holocaust an, ebenso das Tagebuch Anne Franks. An kruden Geschichtsauffassungen ist die Rechtsfraktion vor zehn Jahren aber nicht gescheitert. Vielmehr gelang es nicht, zwei Partner außerhalb der Kerngruppe zusammenzuspannen. Die populistische polnische Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) unter ihrem exzentrischen Vorsitzenden Andrzej Lepper lehnte die Kooperation mit dem Front National ab, damals noch geführt von Marine Le Pens Vater Jean-Marie.
Auch dieses Mal spielt eine polnische Partei außerhalb des rechten Zentrums eine Schlüsselrolle. Geert Wilders sprach von "Problemen" mit dem Kongress der Neuen Rechten (KNP). Deren Vorsitzender Janusz Korwin-Mikke lehnt das Wahlrecht für Frauen ab und sagte: "Die Ermordung von Millionen Menschen war kein Ziel Hitlers."
Wer kann, geht woanders hin
Die Thesen Korwin-Mikkes sind seit langem bekannt, FPÖ und Co. konnten also nicht überrascht sein. Viel eher scheint es, als ob die Rechtsaußenparteien noch vor Start der Fraktion die Reißleine gezogen haben, um ein Desaster mit dem unberechenbaren Polen zu verhindern. Ein EU-Parlamentarier, der die Union als "geistiges Geschöpf Adolf Hitlers" bezeichnet, das scheint selbst Le Pen, Wilders und Heinz-Christian Strache zu viel Risiko.
Dass der KNP dennoch so lange im Gespräch als Fraktionspartner war, verdeutlicht die verzweifelte Suche, außerhalb der Kerngruppe Partner zu finden. Ideologisch könnten jene, die mit Antisemitismus und Rassismus kokettieren, wohl am ehesten mit Gruppierungen wie der ungarischen Jobbik. Bloß ist deren blanker Neofaschismus nicht öffentlich tragbar. Selbst Mölzer, der früher konziliante Töne über Jobbik angestimmt hatte, schloss eine Zusammenarbeit später aus.
Andere rechtspopulistische Parteien wie die Wahren Finnen oder die Schwedendemokraten haben letztlich der EAF abgesagt, auch weil sie nicht im ganz rechten Eck stehen wollen. Die Finnen dockten bei den "Europäischen Konservativen und Reformisten", der Fraktion der britischen Konservativen, an. Die Schweden sind Teil von "Europa der Freiheit und der Demokratie", der Allianz des britischen EU-Austrittsbefürworters Nigel Farage. Auch die litauische Partei TT, bereits als Partner von FPÖ & Co. gemeldet, hat einen Rückzieher gemacht und schließt sich Farage an.
wozu fraktionen bilden
Die Bildung einer Fraktion wird mit dem Zugriff auf Posten, Ressourcen und mehr Redezeit im Parlament belohnt. So sind Abgeordnete aus Fraktionen Mitglieder in den wichtigen Ausschüssen des Europaparlaments. Und vor jeder Abstimmung im Plenum prüfen die Fraktionen die Berichte aus den Ausschüssen und reichen Änderungsanträge ein. Dass die geplante Rechtsaußenfraktion nun doch nicht zustande kommt, kommentierte deren potenzielles Mitglied Janusz Korwin-Mikke vom polnischen Kongress der Neuen Rechten lakonisch: "Wir werden eine etwas schlechtere Position im Parlament haben - und das ist alles. Und etwa 15 Prozent weniger Gelder, na ja."
Sieben Fraktionen sind für die kommende Legislaturperiode im 751-köpfigen EU-Parlament fix: Volkspartei, Sozialisten, euroskeptische Konservative, Liberale, Linke, Grüne und EU-Gegner.