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Zehn Jahre "Whatever it takes"

Von Monika Köppl-Turyna

Gastkommentare
Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin und Direktorin des Forschungsinstituts Eco Austria.

Es gibt empirische Belege, dass (Über-)Förderung mittel- und langfristig zu Produktivitätsrückgängen führen kann.


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Seit der Finanzkrise, dem Ausbruch der Pandemie und den folgenden multiplen Krisen sowie dem Krieg in der Ukraine bemüht sich Europa weniger um die Beibehaltung der sozialmarktwirtschaftlichen Prinzipien, sondern ist versucht, den Status quo weitgehend zu erhalten. "Whatever it takes" - der berühmte Satz des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi - hat die nächste Dekade der europäischen Wirtschaftspolitik geprägt: eine Kombination aus niedrigen Zinsen und massiven staatlichen Unterstützungen.

Die neuerliche Ausprägung dieses Zustandes thematisierte kürzlich die Oesterreichische Nationalbank. Die staatlichen Corona-Hilfen haben heimische Unternehmen laut einer Studie nicht nur gestützt, sondern ihnen gar zu ausgeprägten Finanzpolstern verholfen. Die Ergebnisse seien insofern bemerkenswert, als die Umsätze der Unternehmen aufgrund der Lockdowns in vielen Branchen rückläufig waren. Es schaut danach aus, dass die Unternehmen in der Pandemie überfördert wurden. Das ist nicht zuletzt deswegen möglich gewesen, weil die Geldpolitik das Verschulden der Staaten billiger als je zuvor gemacht hatte. In dem Versuch, den wirtschaftlichen Status quo zu erhalten, riskieren wir nicht weniger, als unsere Zukunft zu verspielen.

Warum? Es gibt empirische Belege, dass diese Art von (Über-)
Förderung mittel- und langfristig zu Produktivitätsrückgängen führen kann. So etwa argumentiert der französische Arbeitsmarktökonom Pierre Cahuc, dass die Kurzarbeitsregelungen auf ineffiziente Weise die Umverteilung von Arbeitskräften zu produktiveren Arbeitsplätzen verringern. Zweitens spielen sogenannte Zombiefizierungsprozesse eine Rolle: Die Bereitstellung von Zentralbankliquidität und niedrigen Zinssätzen kann illiquide, aber lebensfähige Unternehmen unterstützen. Sie können aber auch "Zombies" verdecken, da verschuldete Unternehmen bei niedrigeren Zinssätzen rentabler werden und eine solche Politik eine geordnete Umstrukturierung von Unternehmen verhindern und die schöpferische Zerstörung behindern kann. Dies führt dazu, dass unternehmerische Dynamik abnimmt und Innovationsprozesse verhindert werden.

Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit in der Energiekrise nicht wiederholen. Es braucht zielgerichtetere Unterstützungen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein großer Teil der für den Energiekostenzuschuss vorgesehenen Mittel den Unternehmen zur Verfügung stehen soll, die sich nicht unmittelbar im internationalen Wettbewerb befinden und Kosten überwälzen können. Es wäre möglich, für weniger betroffene Betriebe, eine niedrigere Förderung vorzusehen und stattdessen zum Beispiel Zuschüsse für den Umstieg auf Photovoltaik bereitzustellen.

Wir benötigen nun Politikerinnen und Politiker, die auf Disruption statt auf das bisherige "Whatever it takes" setzen. Auch wenn das aus politischer Sicht keine attraktive Strategie ist. Denn kurzfristige Stimmengewinne scheinen den Entscheiderinnen und Entscheidern wichtiger zu sein als unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen, um dem fortschreitenden Wohlstands- und Produktivitätsverlust entgegenzuwirken.

Produktivitätswachstum ist das "Whatever it takes", das wir nun brauchen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.