Der Bund muss sparen - und zwar jetzt, auf dass er später spendabel sein kann. Neun Länder haben aber andere Pläne.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Österreich ist ein kleines Land, vielleicht kein Zwerg, aber ganz sicher auch kein Staat von ausladenden Dimensionen. Und trotzdem ticken die Uhren der Politik zwischen Boden- und Neusiedlersee in zehn verschiedenen Rhythmen.
Die Zeiten waren einmal, als sich Politiker noch trauten, mit leeren Händen vor die Wähler zu treten. "Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben, ich kann Euch für den Christbaum, wenn ihr überhaupt einen habt, keine Kerzen geben, kein Stück Brot, keine Kohle, kein Glas zum Einschneiden." Leopold Figls legendäre Ansprache zum Weihnachtsfest 1945 (allerdings ist unklar, ob er sie jemals so gehalten hat; die Ton-Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1965) ist diesbezüglich die rare Ausnahme. Mit Pathos dieser Art lockt man keine abgeklärte Klienteltruppe mehr hinter dem Ofen hervor. Die verteilen ihre Gunst nämlich nach den recht simplen Regeln der niederen Mathematik.
Das weiß natürlich auch Michael Spindelegger, weshalb der Finanzminister sich hütete, am Dienstag im Nationalrat quasi den Figl zu geben. Good News für die Wähler müssen heutzutage einfach sein. Und wenn dafür im Doppelbudget auch beim besten Willen kein Platz zu finden ist, dann werden sie kurzerhand für die Zeit danach fix angekündigt: Schuldenabbau, Steuer- und Föderalismusreform - kommt alles, aber eben erst später.
Dazu muss man wissen, dass spätestens 2018 Neuwahlen auf Bundesebene anstehen. Und nach der Logik der hiesigen Akteure kann keine Regierung mit leeren Händen vor die Wähler treten. Tiefenpsychologisch ist Demokratie für erstaunlich viele Politiker offensichtlich immer noch ein prä-demokratisches Tauschgeschäft auf der Geschäftsgrundlage von Steuergeschenk gegen Wählerstimme. Und weil auf das Langzeitgedächtnis der Untertanen bekanntlich schon lange kein Verlass mehr ist, müssen die Wohltaten so nah wie möglich an den Wahltag gerückt werden. Die Politik hat auf Pisa nämlich schon längst reagiert.
Der Bund hat diese politische Milchmädchenrechnung natürlich nicht allein erfunden, denn auch die neun Länder fuhrwerken nach der gleichen Logik. Oder glaubt irgendjemand, dass in der Steiermark SPÖ und ÖVP aus purem Zufall gerade jetzt den heftig angefeindeten Pflegeregress für Angehörige wieder abschaffen? Tatsächlich ist es eher die nackte Angst vor den Wählern gut ein Jahr vor der nächsten Landtagswahl. Das gleiche Motiv erklärt auch die jüngste Hyperaktivität der Wiener SPÖ in Sachen Ankündigungspolitik bei U-Bahn und Wohnbau.
Und weil etwa im kleinen Burgenland die budgetären Möglichkeiten für große Versprechen bescheiden sind, zählt Landeshauptmann Hans Niessl zu den lautstärksten Forderern einer schnellstmöglichen Steuerentlastung durch den Bund. Schließlich stehen auch im Burgenland im kommenden Jahr Landtagswahlen an.
Bund und Länder leben deshalb nur scheinbar zur selben Zeit im gleichen Land. Irgendwo stehen immer irgendwelche Wahlen vor der Tür, die in der Politik nun einmal mindestens so sehr den Takt bestimmen wie die wirtschaftliche Realität.
So gesehen funktioniert Österreich auch nicht viel anders als Europa. Nur eben im Kleinen.